Was der Narr so alles singt

FESTSPIELE / LIEDERABEND HAMPSON, RIEGER

16/08/16 Freilich rümpft man schnell die Nase über Kompositionen, denen (oder deren Schöpfern) es eigentlich am Stellenwert in der Musikgeschichte mangelt. Namen, die völlig verschwunden sind von den Konzertprogrammen, verdienen das im Regelfall.

Von Reinhard Kriechbaum

Roger Quilter (1877-1953) und Gerald Finzi (1901-1956) hat das Urteil der Geschichte erbarmungslos getroffen. Aber in Sachen Shakespeare-Vertonungen kann man bei den beiden fündig werden, und sogar Lohnendes lässt sich aufspüren. Thomas Hampson ist ja einer, der in seine klugen und sinnlichen Liedprogramme auch gerne Komponisten des englischen Sprachraums einbaut. Da sind selten die wirklich großen Würfe dabei – aber Dinge, die man gerne (einmal) hört.

Shakespeare also, vorwiegend die Narrenlieder aus „Was ihr wollt“. Das melancholische „Come Away, death“ haben sich beide Komponisten vorgenommen, und beide lassen den Narren am Ende in anschaulichen Melismen weinen. Auch von „O Mistress Mine“ gibt es von beiden eine Fassung. Quilter hat einen rechten Gassenhauer draus gemacht, den Thomas Hampson direkt, mit überrumpelndem Charme erzählt. Raffinierter ist da schon Gerald Finzis ebenso leicht und tändelnd wirkende, aber von einem höchst einfallsreichen pianistischen Kontrapunkt gefasste Vertonung. Überhaupt das Klavier im Liederblock des heute vergessenen Herrn Finzi: Da konnte man Wolfgang Rieger so recht ansehen, wieviel Freude ihm der Umgang mit den leicht ironischen instrumentalen Statements zur Singstimme bereitete.

Nur nebenbei, weil Shakespeare-Vertonungen ja eminent am jeweiligen Original oder eben einer mehr oder weniger stimmigen Übersetzung hängen. Ein Reimspiel wie zwischen „spring time“ und „ring time“, zwischen Frühlingszeit und Paarungszeit also, hätte der klassische August Wilhelm Schlegel auf Deutsch einfach nicht adäquat rüberbringen können. Ach ja: „Wer ist Silvia“ war in Fassungen von Gerald Finzi und (als Zugabe) in der vertrauten Schubert-Version zu hören. Das ist auch von Shakespeare.

Zur Raritätenschau vor der Pause gehörten noch Erich Wolfgang Korngolds „Songs of the Clown“ op. 29, die er 1941 im amerikanischen Exil für Max Reinhardts „Workshop“ schrieb. Da klingt „Come Away, death“, als ob die Töne direkt durch die „Tote Stadt“ hallten. In anderen Teilen dieses prägnanten Zyklus konnten Hampson und Rieger auf draufgängerischen Witz setzen.

Passt darauf Mahler? Wunderhorn-Lieder vertragen sich ganz gut mit Shakespeare. Sie waren nach Hampson/Rieger'scher Eigenart zu einem runden Zyklus mit mit den „Zwei blauen Augen“ (aus den Liedern eines fahrenden Gesellen) arrangiert. Wahrscheinlich kriegt Thomas Hampson, der schon merklich zu tun hat mit dem Tonumfang der Mahler-Lieder, all das nur mehr so hin, wenn ihm der immer orchestral-farbig denkende Wolfram Rieger das rechte Drumherum liefert – aber zu zweit sind sie in diesem Genre wirklich unschlagbar. Die gestalterische Intensität, das Wort-Raffinement und auch das unverwechselbare Timbre setzt Hampson ja mit ungebrochenem Know how ein. Die Unbeschwertheit des „himmlichen Lebens“ nimmt man ihm freilich nicht mehr taxfrei ab.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli