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Liebestod und Gottesrausch in der Wüste

FESTSPIELE / THAIS

17/08/16 Gefeiert und bejubelt wie Anna Netrebko jüngst in Giaccomo Puccinis „Manon Lescaut“, wurde  in einer ebenfalls konzertanten Aufführung im Großen Festspielhaus die lettische Sopranistin Marina Rebeka in Jules Massenets Oper „Thaïs“. Placidio Domingo, in der Rolle des eifernden und eifersüchtigen Mönchs Athanaël, ist und bleibt eine Größe für sich.

Von Heidemarie Klabacher

Sopranistinnen werden wahnsinnig, verlassen oder verklärt. Besonders absurde Wüstentode – verbunden mit moralischem Beiwerk und pathologischen Objektserhöhungen – sterben die Damen in Puccinis „Manon Lescaut“ oder in Jules Massenets „Thaïs“. Das Luxusweibchen Manon, die Unschuld vom Lande, verreckt als verbannte Sünderin in den Staubwüsten Oregons. Die Kurtisane Thaïs, von einem gnadenlos eifersüchtigen Mönch in den Stand der Reue und Gnade gedrängt, stirbt einen bußfertigen Sühnetod in der Wüste Ägyptens.

Mit souveräner Klarheit und Leichtigkeit gestaltete Marina Rebeka die unzähligen dramatischen Höhen und emotionalen Höhepunkte ihrer Partie; mit geradezu deklamatorischer Wendigkeit und Brillanz perlten die erzählerischen Passagen in mittleren Lagen. Überglänzt und gerundet wird die enorme Bandbreite dieser perfekt geführten Stimme von einem so strahlenden, wie geschmeidigen Timbre. Ihre große Szene vor dem Spiegel, „Sag mir, dass ich schön bin und schön sein werde für immer“, stand wohl schon am Tag nach der Aufführung am Dienstag (16.8.) rot in den Annalen unvergänglicher Augenblicke der Festspielgeschichte.

Der Tenor Benjamin Bernheim sang die Partie des Nicias, des reichen Lebemannes aus Alexandria, der sich die Liebesdienste der Thaïs für eine Woche gekauft hat: Er erfüllte in der leider gar nicht großen Partie das Große Festspielhaus mit einem in Salzburg viel zu selten gehörten Tenorklang, getragen von Kraft und Geschmeidigkeit über alle Lagen, basierend auf hervorragender Technik und klugem Gestaltungswillen.

All das stand – und steht gewissermaßen immer noch – Plácido Domingo zu Gebote: Der Tenor der Tenöre, der in den letzten Saisonen seine vierzigjährigen Bühnenjubiläen an allen großen Opernhäusern dieser Welt gefeiert und sich im Alter zahlreiche Baritonpartien angeeignet hat, begeisterte im Großen Festspielhaus in der Paraderolle des eifernden und eifersüchtigen Zönobitenmönches Athanaël. Mit Intensität und Präsenz und stupender Deklamation verlieh er dem verliebten und verbohrten Mönch ebenso überzeugend diabolische wie väterliche Züge.

Athanaëls Abt, den Zönobitenvorsteher Palémon, gab souverän Simon Shibambu, ein Teilnehmer des diesjährigen Young Singers Projects der Festspiele. Weil sie vom Koloratursopran bis zum Alt als Liebessklavinnen oder Nonnen (dazwischen gibt’s nichts bei Massenet) hervorragendes geleistet haben, seien aufgezählt Marielle Murphy als Charmeuse, Elbenita Kajtazi und Valentina Stadler als Crobyle und Myrtale, sowie Szilvia Vörös als Äbtissin Albine.

Das Münchner Rundfunkorchester assistierte unter der Leitung von Patrick Fournillier nach bestem Wissen, Können und Gewissen, zunächst mit wenig Strahlkraft im Streicher- und wenig Farbe im Bläserklang. Das änderte sich mit der berühmten Méditation im zweiten Akt: Die vom Mönch Athanaël zur Bekehrung gedrängte Thaïs besinnt sich während des unvergleichlich schönen – und ausnehmend schön gespielten – Violinsolos ihres Gottes. Diese leitmotivisch wiederkehrende Melodie, beschert dann dem Orchester Material zur farbkräftigen und klangsinnlichen Entfaltung, da und dort fast ebenbürtig dem Spitzen-Vokalsensemble.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

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