Es sind auch schon Hausherren gestorben

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / MARISS JANSONS

22/07/16 Es braucht schon grandiose Verrenkungen des Programmheft-Schreibers, um irgendetwas Verbindendes zu destillieren zwischen Mozart (Klavierkonzert Es-Dur KV 482) und Bruckner (Sechste Symphonie). Wie kommt man nur von Es-Dur nach A-Dur?

Von Reinhard Kriechbaum

In der musikwissenschaftlichen Literatur findet sich immer irgend ein Weg, sei er auch noch so steinig. Auf dem Podium kann man nicht so leicht flunkern. Das Problem beim „Philharmonischen“ am Wochenende (20./21.8.) war, dass erstens die beiden Werke nicht entfernt zusammenpassten und obendrein der Herr an den Tasten – Emanuel Ax – und jener am Dirigentenpult – Mariss Jansons – in Sachen Mozart so gut wie nichts Sinnvolles miteinander anzufangen wussten.

Emanuel Ax hat immerhin ein beschreibbares Mozart-Bild: Er baut auf klare Phrasierungen, einen perlend Steinway-Anschlag, den man als „blütenweiß“ beschreiben möge. Immer singend trotzdem, das ist Ax' pianistische Stärke. Er lässt sich nicht hetzen, es fallen ihm immer neue kleine Modifikationen bei Motivwiederholungen ein, und immer lässt er, auch im Heiteren, da und dort ein Wölkchen Hintersinn zu.

Im Samstag-Konzert hat Mariss Jansons recht betriebsam gewirkt als Begleiter, und immer wieder brachte er die Wiener Philharmoniker tatasächlich auf die Eins wieder ins rechte Geleise. Dass man aus dem Es-Dur Konzert Bläserfarben sonder Zahl destillieren könnte, wäre einem in diesen vierzig Minuten nicht eingefallen. Emanuel Ax hat eigene Kadenzen erdacht, jene für den langsamen Satz bezog sogar Holzbläser mit ein – aber wozu die Mühe, wenn das dann sowenig geprobt ist, dass man übers Taktzählen nicht recht hinauskommt?

Bruckner ist natürlich viel eher Mariss Jansons Sache, da erwacht der Dramaturg in ihm, und vielleicht sogar der Geschichtenerzähler. Das eröffnende „Maestoso“ der „Sechsten“ liest Jansons ganz bestimmt nicht als eine Anleitung zum Salbungsvollen, er nimmt es eher als Aufforderung zum Sammeln jenes Baumaterials, das man so braucht für ein prächtiges Ringstraßenpalais. Die elegische Traurigkeit des Adagio könnte man dann, um im Bild zu bleiben, so beschreiben: Es sind auch schon Hausherren gestorben. Aber in einem Stadtpalais der Ringstraßenzeit hat, auch wenn's ein Trauerhaus ist, die Lebensfreude ihren Platz. Da versteht man Feste zu feiern (Satz drei und vier), wenn auch mit dunkleren Untertönen. Eine ansprechende Sicht auf die „Sechste“, die in ihrer handfest-musikantischen Art den Mozart vom Beginn rasch aus den Ohren der Hörer drängte. Gut so.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli