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Hoffnungslos, aber nicht ernst

FESTSPIELE / BERLINER PHILHARMONIKER / RATTLE

29/08/16 „Vorwiegend heiteren Charakters“ sei seine Siebente Symphonie, befand Gustav Mahler. Wer's bisher nicht so recht glauben wollte, konnte sich am Sonntag (28.8.) von den Berliner Philharmonikern unter Sir Simon Rattle gut eines Besseren belehren lassen.

Von Reinhard Kriechbaum

Der Komponist war damals, 1904/05, auf der Desperado-Spur, eh klar. Mahler wusste zu gut, dass seine Musik am Ende war. Wie es gleich am Beginn der „Siebenten“ knirscht, eckt und hakt, dafür setzen die Berliner Philharmoniker die notwendige Energie frei, Rattle lässt die Streicher gerade diese Stellen ohne milderndes Vibrato spielen. Da hinein in diese durch und durch unheile Welt wehen wie Insel-Erinnerungen die Motive einer alten Zeit, im ersten Satz etwa die Bruckner-Reminiszenzen, die in dem Umfeld so wenig glaubwürdig klingen und denen auf eine Art der Marsch geblasen wird, dass Mahler vielleicht selbst angst und bang geworden wäre vor den Power-Leuten aus Berlin.

Aber beim Martialischen belässt es Sir Simon Rattle nicht: Aus dem beiden „Nachtmusiken“ kitzelt er Hinterlist und Selbstironie: Swingend und schillernd kommen die Anklänge an die Unterhaltungsmusik in der ersten Nachtmusik, in fast keckem Ständchenton (zu Gitarre und Mandoline) betört die zweite – aber immer mit Brechungen, mit scheelen Seitenblicken auf das in der Symphonien-Endzeit eigentlich schon Unmögliche. Rattles klanggenaue und rhythmisch zugespitzte Walzer-Demontage im gar nicht so „schattenhaft“ übermittelten Scherzo sucht Ihresgleichen.

Folgerichtig setzt Rattle im Finalsatz noch eins drauf, lasst quasi mit Fußtritt die tumultuösen Fanfaren losbrechen, gerade so, als ob nochmal aller Bodensatz des 19. Jahrhunderts aufgewirbelt werden sollte. Fratzenhaft lugen diese Versatzstücke aus der Musikgeschichte hervor, aber irgendwie wendet Sir Simon Rattle die Dinge immer so, das man zugleich den Eindruck mitnimmt: Es wäre jammerschade um all den romantischen Plunder. Genau so hat es ja auch Mahler gesehen und mit dem sagenhaften Kuhglocken-Finale die Alte Welt nochmal unverdrossen heraufbeschworen. Was die Berliner Philharmoniker da an Kraft investierten, muss ihnen erst jemand nachmachen.

Vor den achtzig Minuten Mahler zehn Minuten lang ein beinah leeres Podium, leere Pulte. Boulez' 1965 uraufgeführter „Éclat“ kommt ja mit fünfzehn Instrumenten aus und beschwört durchsichtige Klangfarben-Melodien feine Abmischungen (Gitarre, Mandoline, Cymbalon...): Fast hinterlistig, dieses Stück ohne Pause vor die „Siebente“ von Mahler zu setzen und die gespitzten Ohren sehr der Opulenz zu entwöhnen.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borelli

 

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