Kalt und warm

FESTSPIELE / CAMERATA SALZBURG / LORENZO VIOTTI 2

31/07/17 Seit dem Young Conductor Award-Konzert im Somer 2015 stimmt die Chemie zwischen Lorenzo Viotti und der Camerata. Das zeigte auch das zweite Festspielkonzert der Camerata am Sonntag (30. 7.) mit Sergey Khachatryan als Violin-Solisten.

Von Horst Reischenböck

Armenien und Ludwig van Beethovens Wahlheimat weit voneinander entfernt, geografisch wie gedanklich. Dem aus der Hauptstadt Eriwan gebürtigen Geiger Sergey Khachatryan trug sein Können erste Preise beim Sibelius-Wettbewerb und beim Concours Reine Elisabeth ein. Seine Interpretation des Violinkonzerts D-Dur op. 61 von Lud Beethoven wirkte im Großen Saal des Mozarteums in Summe doch unkonventionell bis gewöhnungsbedürftig. Die Lesart irritierte mehr, als sie beeindruckte. Khachatryan schien den Kopfsatz mehrheitlich gegen den Strich bürsten zu wollen. Wollte er nachspüren, ob an der Rezension in der Wiener Theater-Zeitung im Jahr 1807 was dran ist? Da ist von „mancher Schönheit“ die Rede, allerdings auch „daß der Zusammenhang oft ganz zerrissen scheine“.

Khachatryan setzte den Kopfsatz einer gedanklichen Zerreißprobe aus, die - detailreich ausgespielt und differenziert artikuliert – keinen verbindenden Bogen zu spannen imstande war. Dabei wurde der Solist hingebungsvoll unterstützt vom Dirigenten Lorenzo Viotti, der als Kontrast etwa die Tutti-Schläge samt strahlenden Naturtrompeten umso intensiver akzentuierte.

Im Larghetto steigerte Khachatryan seine subtile Verinnerlichung von überirdisch zarten Tönen in mitunter düster kerkerhafte Gedanken hinein, ehe er sich endlich doch entsprechend brillant dem mehr virtuos tänzerischen Duktus des abschließenden Rondos hingab. – All das so vehement, dass er schon beim zweiten „Vorhang“ mit standing ovations samt lautstarken Bravi gefeiert wurde.

Tatsächlich hätten diese Ovationen nach der Pause der „Rheinischen“ gebührt: Viottis gestaltete Robert Schumanns Sinfonie Es-Dur- op. 97 vehement und lebhaft im Einstieg, überstrahlt vom prachtvoll intonierenden Hornquartett der Camerata. Danach formulierten Dirigent und Orchester im Scherzo präzise in allen Details das Wogen des Flusses. Die Holzbläser zeigten ihre Meriten speziell im dritten Satz formidabel auf, während das Blech anschließend feierlichen Prozession so vollmundig Glanzlichter aufsetzte, dass sogar die engagiert aufgeigenden Streicher akustisch ins Hintertreffen gerieten. Die finale Stretta geriet zum absolut festspielwürdigen Ausklang.

Bild: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli
Im ORF heute Montag (31.7.) um 19.30 Uhr auf Ö1 nachzuhören um 17.35 Uhr die Aufzeichnung