Das Publikum macht sich sein Festspiel

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT / ANNE-SOPHIE MUTTER

27/08/17 Nicht nur die Musik muss einem ein bisserl leid tun, schon auch ihre Interpretin. Seit vier Jahrzehnten hechelt Anne-Sophie Mutter jenem Ruhm nach, den ihr als Dreizehnjähriger Herbert von Karajan eingebrockt hat.

Von Reinhard Kriechbaum

Dabei ist Anne-Sophie Mutter beileibe nicht jene Klassik-Pop-Hochglanz-Artistin, für die sie ihre Fangemeinde hält. Die ist ja so zahlreich, dass man im Großen Festspielhaus auch Seitensitze aufstellen muss (was in diesem Sommer sonst nur bei Grigori Sokolov nötig war). Das Problem der Mutter'schen Karriere ist, dass sie all die Jahrzehnte hindurch nie wirklich Spitze war. Immer sind einem zehn Namen von Kolleginnen eingefallen, die technisch firmer, stilistisch unbestechlicher, gestalterisch authentischer gespielt haben oder spielen. Allein in den letzten sieben Tagen sind in Salzburg aufgetreten: Vilde Frang, Ilya Gringolts, Frank Peter Zimmermann. Auch Patricia Kopatchinskaja war diesen Sommer schon da. Diesmal nicht Renaud Capuçon, Isabelle Faust, Maxim Vengerov oder Christian Tetzlaff – das sind einige Namen jener, die die heutzutage üblichen Messlatten festmachen.

Weil Anne-Sophie Mutter eine hoch intelligente Musikerin ist und sie die Konkurrenz nicht nur kennt, sondern auch richtig einschätzt, wirkt sie, pardon für die Respektlosigkeit, wie eine strebsame Arbeitsbiene, die doch beständig an gläserne Scheiben stößt.

Am Samstag (16.8.) im Großen Festspielhaus: Den todtraurigen langsamen Satz von Mozarts später Violinsonate A-Dur KV 526 ging sie wirklich ehrgeizig an, verzichtete sogar auf das sonst eher durchgängig eingesetzte Edelvibrato. Aber was fruchtet das, wenn in den tempomäßig arg überzogenen Ecksätzen ein Artikulationsgewurschtel sondergleichen herrscht und im Presto-Schusssatz die Intonation auch noch entgleist.

Anne-Sophie Mutter weiß, dass sie für ihren süßlichen Geigenton geliebt wird. Den reizt sie auch für die Ravel-Sonate aus. Nicht nur im neoklassizistischen Eröffnungssatz, auch im langsamen Blues, wo dann freilich die Spannung jäh abhanden kommt. Die letzten Solo-Floskeln hängen dann in der Luft, laufen ebenso ins Leere wie das „Presto tragico" der Sonate von Francis Poulenc FP 119. Auch wenn deren erster Satz „Presto fuoco“ überschrieben ist, ist die Mutter erst im lyrischen Seitenthema daheim, und sie fühlt sich bei den ruhigen Doppelgriff-Passagen im langsamen Satz entschieden wohler als beim Wirbeligen drumherum.

Fürt den ganzen Programmbogen, der mit Sebastian Curriers schmuddeligen Edelkitsch „Clockwork“ begonnen hat und mit Introduction et Rondo capriccioso von Camille Saint-Saens zu Ende ging, gilt: Dafür, dass die Musik überhaupt vom Fleck kam, sorgte der Klavierpartner Lambert Orkis. Ohne ihn ginge gar nichts.

Aber was sollen alle Vorbehalte: Die Begeisterungsbereitschaft des Publikums entsprach voll und ganz einem Abend mit Anne-Sophie Mutter. Zu solchem Anlass machen sich die Zuhörer ihr Festspiel einfach selber.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli