Tod – einmal nicht in Venedig

FESTSPIELE / LUCREZIA BORGIA

28/08/17 Machtgierige Mutter mit schlechtem Gewissen und von Fischern aufgezogener Sohn lernen sich gerade mal kennen – als der Tod sie auch schon wieder trennt in Gaetano Donizettis Oper „Lucrezia Borgia“: Schrullige Oper als Sängerfest.

Von Heidemarie Klabacher

Eine männermordende Sopranistin mit gut versteckter Menschlichkeit, die sich in den eigenen Intrigen verfängt. Ein unbedarfter Tenor mit selbstgefährdendem Hang zur Freundestreue, der aus Solidarität das Gegengift nicht schlucken will: Die Festspiele haben für die beiden konzertanten Aufführungen im Großen Festspielhaus zwei Stars für die Hauptrollen aufgeboten und für die kleineren Partien eine handverlesene Truppe rekrutiert.

Krassimira Stoyanova in der Titelrolle ließ die widersprüchliche Persönlichkeit der Lucrezia Borgia – skrupelloser Machtmensch, der sich nach Liebe und Menschlichkeit sehnt – mit allen Registern ihrer so facettenreichen Stimme lebendig werden. Technisch souverän wie immer, entwickelte sie die widerstreitenden Emotionen bruchlos zwischen den Registern, geschmeidig und betörend weich in allen Lagen. Die Koloraturen der bravourösen Schlussarie ließ sie mit überwältigender Grandezza strömen.

Juan Diego Flórez war als Jüngling Gennaro ein genauso souveräner Lieferant geschmeidiger Kantilene und strahlender Spitzentöne, wie man es von ihm erwartet: Tatsächlich schien er die Partie dieses törichten Unschuldslammes mit mehr Facetten in Lautstärke und Power auszustatten, als man es von ihm gewohnt ist: Ein junger Mensch, planlos und auf der Suche, stand da plötzlich hinter dem Notenpult. In der Rolle von Gennaros Freund Orsini brillerte die die Mezzosopranistin Teresa Iervolino.

Das Libretto zu Gaetano Donizettis „Melodramma in einem Prolog und zwei Akten“ basiert auf dem Drama Lucrèce Borgia von Victor Hugo, das so hanebüchen nicht sein kann, wie der Opernplot daherkommt: Lucrecia Borgia, derzeit in vierter Ehe verheiratet, hat den Sohn wie im Märchen bei einem armen Fischer aufwachsen lassen. Jetzt ist er angekommen in der High Society zwischen Venedig und Ferrara – und ist das gesellschaftliche Zentrum einer Gruppe junger Burschen, von denen die nachtragende Lucrecia Borgia sich beleidigt fühlt…

Das Mozarteumorchester Salzburg musizierte in großen organischen Bögen und ließ dabei zahlreiche feine Details aufstrahlen: immer wieder die Bläser, wie etwa Hörner und Fagotte im Vorspiel zum zweiten Akt, oder die Soloklarinette in zur „Abschiedsarie“ Gennaros. Die Spannung zwischen der Wehmut des Scheidenden und die Klänge vom rauchenden Fest war überaus „bildwirksam“ aufgebaut.

Marco Armiliato am Dirigentenpult schien sich ganz dem Orchester anzuvertrauen und mit gestaltenden Impulsen nicht weiter einmischen zu wollen. Das Ergebnis jedenfalls war farbenreicher Orchesterschmelz, eine federnd anregende Basis für die Solisten.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli
Zweite Aufführung am Mittwoch (30.8.) um 19 Uhr im Großen Festspielhaus. Hörfunkübertragung am 2. September um 19.30 auf Ö1 und BR-Klassik - www.salzburgerfestspiele.at