Was absolut vollkommener Gesang ist...

FESTSPIELE / BARÁTH & JAROUSSKY / ENSEMBLE ARTASERSE

31/07/18 Wie diesen Abend einordnen? In Solistenkonzerten haben es noch nie Sänger aufs Podium gebracht. Opern-Arien, begleitet durch ein Kammerorchester, gehen freilich auch nicht wirklich als „Liederabend“ durch. Countertenor-Star Philippe Jaroussky begeisterte jedenfalls, ihm zur Seite – eine Entdeckung – die Sopranistin Emöke Baráth.

Von Horst Reischenböck

„Wer Carestini nicht gehört hat, weiß nicht, was absolut vollkommener Gesang ist.“ Vielleicht hätte der Barockkomponist Johann Adolph Hasse solches auch über Philippe Jaroussky nach diesem Konzert am Montag (30.7.) im Haus für Mozart gesagt. Der französische Countertenor widmete schon vor gut zehn Jahren eine CD ausschließlich diesem großen Gegenpol zu Farinelli: Giovanni Maria Bernardino Carestini kam 1733 nach London und sang dort als primo uomo in Georg Friedrich Händels neuem Dramma per musica „Ariodante“ HWV 33.

Für Philippe Jaroussky war das die Klammer seines Auftritts. Schwerlich zu übertreffen seine Ausformung des berühmten, subtil durch das Fagott gestützten tieftraurigem Lamento „Scherza infida“ (ob der Untreue der Geliebten). Zehn Minuten voll intensiv gedeuteter Emotion, die so nachdrücklich formuliert ihre Wirkung nicht verfehlte. Gesangskunst auf olympischem Niveau. Jaroussky zog, ausgehend von differenziert eingesetzten Schwelltönen, alle ihm zu Gebot stehenden Register. Da gab es natürlich spontane Bravi.

Für zwei Duette mit Ginevra fand Jaroussky in der Ungarin Emöke Baráth, 33 Jahre jung, eine ebenbürtige, temperamentvolle Kollegin. Sie war ihm auch Partnerin in Stücken aus „Rodelinda“ und „Serse“. Als Adelaide in „Lotario“, vor allem aber als Almira – Titelheldin in Händels erster, noch für das Hamburger Theater am Gänsemarkt komponierter Oper – führte sie, in dramatischem Wettstreit mit der Oboe, die Strahlkraft ihres Soprans virtuos und mühelos in lichte Höhen. Nicht minder berührte sie in Cleopatras Abschied aus „Giulio Cesare in Egitto“.

Immer wieder staunenswert, wie meisterlich Händel schon früh durch Einsatz sparsamster Mittel seinen Sängern zur Seite stand. Das von Jaroussky ins Leben gerufene Ensemble Artaserse (der Name kommt von einem von Farinelli als Konkurrent zu Händel in London gestalteten Pasticcio-Werk) spielt auf Originalinstrumenten und war ein idealer Partner. Acht Geigen, je zwei Violen und Celli, dazu Kontrabass, Laute plus Cembalo verfehlten mit ihren spontanem Einsätzen auch in den eingestreuten Einzelsätzen aus den Concerti grossi op. 6 nichts an Wirkung. Für die Arien wurde die Orchesterbesetzung um ein Fagott und ein Paar Oboen (ohne Klappen) ergänzt.

Ein beglückendes Fest mit zwei faszinierenden Stimmen, mit musikalischen Juwelen: eine Lehrstunde auch in Bezug auf improvisierende Verzierungen in den Da-capo-Teilen der Arien. Standing Ovations.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli