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Abheben

FESTSPIELE / FAUST & FREUNDE

08/08/18 Der Flughafen Frankfurt als Kultur-Attentäter? Als solchen macht ihn Isabelle Faust aus, wenn sie sich für den späten Konzertbeginn (gerade einmal zehn Minuten) entschuldigt. Flieger zu spät und Koffer weg? Auch mangelnde Konzertkleidung sei den Missständen in Frankfurt geschuldet. Das pardoniert der geneigte Hörer gern. Besser als mit jedem Flieger ist es, abzuheben mit solcher Musik.

Von Erhard Petzel

Große Kammermusik also im Großen Saal des Mozarteums mit Schubert und Webern gespielt von Isabelle Faust und einem Ensemble, zu dem auch die Cellistin Kristin von der Goltz gehörte, mit der Isabelle Faust schon zu Festspielbeginn einen unvergesslichen Abend mit Bach und Biber gegeben hat. Das Kammerkonzert am Dienstag (7.8.) im Großen Saal eröffnen sollten also Anton von Weberns „Sechs Bagatellen op. 9“. Isabelle Faust erklärte vorab die bewusst eingeplante Wiederholung der Webern-Miniaturen direkt anschließend an Schuberts Quartettsatz c-Moll D 703.

Faust zitiert Schönbergs Kommentar zu Weberns Werk, worin dieser den Mut und die Notwendigkeit zu absolut reduzierter Kompaktheit verteidigt und Gläubige als Hörer einmahnt. Nun ist Webern als Prophet, wenn nicht gar als Messias in der Gemeinschaft des Konzertbetriebs kanonisiert und die Wahrnehmung der Anhängerschaft fußt auf sicher installierten Strukturen. Der Mehrwert der zweimaligen Aufführung der Miniaturen an einem Abend wird daher vom erheblichen Teil des Publikums wohl gerne mitgetragen, wenn auch die nicht ungestörte Aufmerksamkeit einer Masse die spirituelle Versenkung kaum fördert.

Der ansatzlose Übergang von Webern zu dem in seiner Binnenstruktur kontrastreichen Schubert‘schen Quartettsatz c-Moll funktioniert denn auch ganz natürlich. Spannend zu sehen, dass Musik bei größten äußeren Unterschieden doch im Wesen ähnlichen Organisationsmechanismen folgt oder zumindest im Hörer formale Resonanz aufruft. Auch in der Gewichtung des ersten Programmteils ist die Entscheidung des reinen Frauenquartetts (Anne Katharina Schreiber zweite Violine, Danusha Waskiewicz Viola, Kristin von der Goltz Cello) nachvollziehbar.

Reizvoll die Konstellation nach der Pause, wenn den Damen ein Herrenquartett gegenübersteht. James Munro am Kontrabass bildet die Achse zu den Bläsern, die auf alten Instrumenten spielen. Auf dem Naturhorn Teunis van der Zwart, Javier Zafra auf einem schlanken Fagott und auf der Klarinette der agile, den agogischen Impetus gleichsam choreografierende Lorenzo Coppola. Wer Schuberts Oktett F-Dur D 803 einmal so gehört hat, wird Aufnahmen mit modernen Instrumenten kaum mehr seine ungeteilte Liebe schenken können. Die Verschmelzung der Klänge ist ein unvergleichliches Ereignis.

Dazu kommt die stupende Virtuosität der Ausführenden, wenn Klangfarbentableaus in die Register übergreifende aberwitzige Läufe münden. Wie hier Streicher und Bläser harmonieren, sucht seinesgleichen und ist doch essentiell in einem Werk, das durch die Verwobenheit der Stimmen und seine ausladenden Dimensionen den großen Atem braucht (außerhalb jeder Metaphorik besonders beeindruckend im Horn). Dass die Ausdruckspalette und der Zugriff auf expressive Extreme bei alten Instrumenten den neuen um nichts nachstehen, hier ist der erhörte Beweis. Die feinen Nuancen im fragilen Pianissimo in dieser Klarinette und diesem Fagott sind ausgesuchte Delikatessen. Das animierte Spiel zwischen Damen und Herren hat zu dem spieltechnisch und musikalisch beglückenden Niveau durchaus eine feine „erotische“ Komponente.

Natürlich gibt es eine Draufgabe für den tosenden Applaus und die verbalen Akklamationen. Das Ensemble spielt eine auf seine Besetzung adaptierte Version aus Schuberts Menuetten und Trios D 89, deren Aufteilung des musikalischen Materials in die Instrumentalgruppen Struktur und Klang dieser reizvollen Stücke besonders zum Leuchten bringen. Was immer in Frankfurt passiert sein mag: besser als mit jedem Flieger ist es, abzuheben mit Musik.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli

 

 

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