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Romantiker auf Extasy

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT KHATIA BUNIATISHVILI

26/08/18 Als Stilikone kommt Khatia Buniatishvili wegen des Abendkleids auf jeden Fall in Frage. Und ihr Brahms hat sich am Samstag (25.8.) im Haus für Mozart als nicht weniger extravagant erwiesen, als die schwarze Abendrobe mit den kreativen Glitzerstreifen.

Von Reinhard Kriechbaum

Hinein also in die fünfsätzige Ende-nie-Sonate f-Moll op. 5. Zwei Sätze waren fertig, als der Jungspund Johannes Brahms Aufnahme im Hause Schumann fand. Wenn Kathia Buniatishvili dieses Frühwerk spielt, versteht man sehr gut, warum er dort offene Türen eingerannt hat. Vor allem in den raschen Sätzen geben sich die aus Schumanns pianistischem Werk wohlvertrauten Figuren, all die Eusebii und Florestans und wie sie in dessen Klavierzyklen alle heißen, ein Stelldichein. In buntester Abfolge ziehen sie vorüber. Dieses Ur-Material pianistischen Romantik, von Schumann herzblutig und aufrichtig geschildert, kommt (auch schon beim zwanzigjährigen) Brahms bereits mit gewisser Distanz daher.

Khatia Bunitishvili hilft nach, diesen Abstand wieder kleiner zu machen. In den ersten dreißig Sekunden der f-Moll-Sonate bringt sie schon eine erstaunliche Fülle von unterschiedlichen Charakteren ein. Sie klopfen trocken im Bass an, machen Luftsprünge, schwärmen oder fügen sich leise in ihr Schicksal. Das kitzelt die Ohren so recht, und auch in weiterer Folge wird die Georgierin mit den schier unbegrenzten technischen Fähigkeiten dieses Werk so darstellen, als ob's von Schumamnn sei: Schumann freilich auf Extasy. Total high.

Stilbruch-Musik in einer beeindruckenden Interpretation, in der die Stilbrüche System haben: Da darf man sich an überraschenden Zwischentönen freuen und schon auch gelegentlich darüber nachdenken, wann eigentlich Sentimentalität in Kitsch kippt. Solche Ambivalenzen machen das Zuhören jedenfalls spannend. Der „Rückblick“ überschriebene langsame vierte Satz mag im Diskant weh- und sanftmütig vorüber ziehen – das durchgehende markige Schicksalsmotiv im Bass hämmert so bedrohlich, dass die Vergangenheit recht gegenwärtig anmutet.

Nach der Pause eine Werkfolge, von der jedes Stück, jeder Einzelsatz als fulminante Schlussnummer oder Zugabe nach einem Virtuosenabend durchgegangen wäre. Mikhail Pletenev hat einige Sätze aus Tschaikowskys „Nussknacker“ in eine Klaviersuite verwandelt. Er hat es nicht bei einer Art Klavierauszug belassen, sondern zuhauf pianistische Bravour hineingepackt. Wo überall man in diesen Gassenhauern rasende Läufe an- und unterbringen kann! Kathia Buniatishvili lässt die Finger rasen, aber sie bezaubert auch in exorbitant anspruchsvollen Eskapaden mit gar wundersam weichen Piano-Tönen. Eine Tastenfegerin beinah ohne Tastenberührung...

Franz Liszt galt der letzte Programmblock. In der „Rhapsodie espagnole“ suchte und fand Kathia Bathiashvili höchst charmante Wege aus der Raserei. Sie versteht sich darauf, die irrsten Tonkaskaden noch singen zu lassen, auch im Mephisto-Walzer Nr. 1, der am Beginn reizvoll bocksbeinig daher kommt und sich unter den Fingern dieser Ausnahme-Virtuosin in duftigste Ballettmusik verwandelt. Und dann noch die Zweite Ungarische Rhapsodie in der imponierend-überdrehten Version von Vladimir Horowitz. Auch Liszt auf Extasy. Standing ovations, was sonst.

Bilder: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr

 

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