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Ernst mit den Mythen, Spaß mit Bacchus

HINTERGRUND / FESTSPIELE / DAS PROGRAMM 2019

14/11/18 Die wirklich wichtige Nachricht ist ja immer jene, wer denn die neue Buhlschaft sei. Das Rennen haben diesmal die „Salzburger Nachrichten“ gewonnen. Also: Valery Tscheplanova. Das herauszukriegen ist keine journalistische Herausforderung, schließlich wird das Festspielprogramm des jeweils nächsten Jahres seit Menschengedenken einen Tag vor der Weltpresse den Festspielfreunden vorgestellt.

Von Reinhard Kriechbaum

Trostreich, dass es dann, in der Programm-Pressekonferenz, ja doch auch immer Dinge gibt, über die sich wirklich zu berichten lohnt. Zum Beispiel darüber, was der Intendant so denkt. Im Gegensatz zu vielen Jahren in der jüngsten Festspielgeschichte bestimmen in der Ära Markus Hinterhäuser wieder Inhalte das Programm und nicht allein klingende Namen. Und die programmatischen Fäden zwischen Oper, Schauspiel, Konzert – nicht zu vergessen auf die spirituell deutlich aufgewertete Ouvertüre spirituelle – erstrecken sich gleich über mehrere Jahre. Markus Hinterhäuser über diese Langzeit-Linien: Auf Strategien der Macht (2017) und Passion bzw. Leidenschaft (also das Trieb-Unwesen der Macht) im vergangenen Sommer werde es 2019 um die Relevanz der Mythen gehen: „Leben wir in einer Welt, in der die Mythen irgendeinen Stand haben?“

Haben sie natürlich, und um das zu untermauern, hat Hinterhäuser sich in Video-Statements von Festspielkünstlern des Sommers 2019 absichern lassen. Etwa von Achim Freyer, der die Oper Oedipe von dem Rumänen George Enescu inszenieren wird. Mythen seien „eine Frage des Lesens und der Bildung“, sagt Freyer dazu. Wie klingt das in den Ohren eines den oberflächlichen Events nachjagenden Anti-Bildungsbürgertums?

Nicht, dass die Festspiele 2019 verschrecken würden: Da sind immerhin noch Mozarts Idomeno, Cherubinis Medée und Offenbachs Operette Orphée aux enfers. Aber auch da eben die stete Überprüfung des Mythos am Heute: Peter Sellars denkt zum Beispiel im Vorfeld seiner Idomeneo-Inszenierung über die Rolle dieses Königs nach, der die Wirklichkeit so beharrlich wegleugnet. Tun wir etwas anderes mit der Erderwärmung, geht Peter Sellars beispielsweise durch den Kopf. Und wenn's schon ur-lustig sein soll: Festspiel-Debütant Barrie Kosky, will in seiner Offenbach-Inszenierung darauf hinarbeiten, warum wohl die hehre Eurydike in diesem Stück keine Minute ernsthaft drüber nachdenkt, ihr Leben weiterhin mit Orpheus zu verbringen: „Sie will ihren Spaß mit Bacchus!“

Markus Hinterhäuser: In den Mythen gehe es eben um Archetypen, um den „Urgrund“ (nicht nur des Theaters überhaupt): „Wenn wir über Mythen nachdenken, müssen wir das aus gegenwärtiger Sicht tun.“

Vielen Künstlerinnen und Künstlern im kommenden Festspielprogramm ist eine solche Sicht aufs Heute zuzutrauen. Simon Stone als Regisseur von Cherubinis Medé, im Schauspielprogramm Thomas Ostermeier in Ödön von Horvaths Jugend ohne Gott und der ungarische Theatermann Kornél Mundruczó in Molnars Liliom. Österreichische Dramatik hat diesmal also einen nicht unerheblichen Stellenwert. Die Schauspiel-Uraufführung 2019: Theresa Walsers „finstere Komödie“ Die Empörten.

„Kunst muss uns überwältigen“, sagt die slowenische Regisseurin Mateja Koležnik, die Maxim Gorkis Sommergäste auf der Pernerinsel umsetzt. Diese dekadente Menschengruppe mag auf den ersten Blick nichts zu tun haben mit Mythen, aber ihr Ego-Verhalten steht zumindest für den Verlust von Werten, wie sie viele Mythen einmahnen. „Die Gesellschaft geht den Bach runter, wenn es an Empathie fehlt“, sagt Mateja Koležnik. „Der erste Schritt ist der schleichende Verlust an Empathie.“

Zum Theater überhaupt sagt Koležnik: „Kunst muss uns überwältigen.“ Und wie um den Bildungs-Appell ihres Uralt-Kollegen Achim Freyer zu bekräftigen: „Wir haben aus Kunst eine Kulturindustrie gemacht.“ Das Festspielprogramm 2019 hat beste Voraussetzungen, uns aus den Verlockungen der kommoden Serienproduktion herauszureißen.

DrehPunktKultur stellt in den nächsten Tagen die Detailprogramme der Salzburger Festspiele 2019 ausführlich vor - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / dpk-krie
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