Make Genua great again

HINTERGRUND / SIMON BOCCANEGRA

14/08/19 Der Unterschied zwischen einem guten Sänger und einem großartigen Künstler sei der Mut dazu, mit der Stimme Gefühle zu transportieren, und um die Geschichte zu vermitteln auch einmal hässliche Töne zuzulassen, sagt René Pape. Er singt in Verdis Oper Simon Boccanegra den Jacopo Fiesco.

Von Anne Zeuner

Für René Pape ist es gleichzeitig das Rollendebüt in einem Fach, das er nicht so häufig bediene, wie er verrät. Sein Bariton-Kollege Luca Salsi, der die Rolle des Simon Boccanegra übernimmt, streut ihm Rosen: „René Pape ist ein großartiger Künstler, denn er hat es im Laufe der Proben geschafft, sich nicht nur charakterlich in Fiesco zu verwandeln, sondern auch stimmlich.“ Das erlebe man bei Bässen sehr selten.

„Mir ist es vor allem wichtig, den Text zu transportieren und eine Geschichte zu erzählen“, sagt René Pape. Für ihn gelte nicht nur bei Verdi, sondern für alles Repertoire: Die Farben sind wichtig. „Viele Sänger tendieren dazu, jeden Ton besonders schön klingen lassen zu wollen“, sagt er. Wenn es aber zum Charakter passe, sei es wichtig, einzelne Töne auch einmal zu brechen. Die Stimme transportiere schließlich Emotionen.

Simon Boccanegra sei ein dunkles Werk und er habe versucht dies sichtbar zu machen ohne aber jemanden bloßzustellen, sagt Regisseur Andreas Kriegenburg. Gerade der Chor werde oft kalt und zynisch vereinfacht dargestellt. Es gehe um eine Gesellschaft, die missgünstig, neidisch und zerrissen ist, und in der Hetze betrieben werde. Das Thema Social Media spiele in seiner Interpretation eine große Rolle, so Kriegenburg. Ständig sei der Chor mit dem Handy in der Hand zu sehen, um zu twittern. „Make Genua great again“ ist da beispielsweise zu lesen. „Wir müssen uns nur umschauen, genau in solch einer Gesellschaft leben wir gerade. Wir entfernen uns immer weiter voneinander bis zur Radikalisierung“, sagt der Regisseur. Obwohl die politischen Bezüge von damals sich wunderbar auf die heutige Zeit transportieren ließen, interessierten ihn nicht vorrangig politische Aussagen. Es gehenviel eher um die zwischenmenschlichen Beziehungen in dieser Oper. „Für mich steht vor allem der Humanismus im Vordergrund“, sagt Andreas Kriegenburg. Es geelte „diese Mauer des Hasses zu durchbrechen“. Simon Boccanegra treffe eine radikale Entscheidung gegen die Gesellschaft, in dem er in die Jugend investiere und die vorhandene Verdorbenheit ignoriere. Dies sei ein Zeichen des Humanismus, die Zukunft in die Hände von Unschuldigen zu legen.

Luca Salsi geht noch einen Schritt weiter: „Für mich ist Simon Boccanegra eine Oper der Liebe“, sagt er. Simon Boccanegra setze sich dafür ein, dass sich die Völker begegnen, er sei gegen den Krieg und für die Liebe. Salsi sieht in ihm eine Art Prophet. Er wandle den Schmerz über den Verlust seiner Geliebten um in eine Liebe für alle Menschen.

René Pape über Verdis Oper: Er finde es schade, dass die Oper nur selten gespielt werde. Aber sie sei eben schwierig zu besetzen. Und auch die wahnsinnigen Zeit-Sprünge seien eine riesige Herausforderung für die Dramaturgie, sagt der Sänger. Es sei schwierig, die ganze Geschichte in diese relativ kurze Oper zu stecken. Aber dafür spreche eben die Musik auch für sich. „Die Musik transportiert ganz andere Dimensionen, sie geht uns unter die Haut“, sagt René Pape. Dirigent der Aufführungen im Großen Festspielhaus ist Valery Gergiev.

Verdis Simon Boccanegra hat morgen Donnerstag (15.8.) Premiere, weitere Vorstellungen am 18., 20., 24., 27. und 29. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Anne Zeuner