Wie organisch Pianissimo und Fortissimo, liebliche Melodik, kontrapunktisches Gewusel oder drängelnde Heroik im zweiten Satz ineinander über- oder eins aus dem anderen hervorgingen! Wie ruhevoll ausgekostet die Modulationen, von denen aus im dritten Satz das heitere Thema immer wieder neu zu Herzen geht.
Delikat? Die Neunte Beethoven? Delikat, mit welch zielstrebiger Leichtigkeit etwa die Holzbläser mit hellem Klang immer wieder das Dunkel vertreiben und die dem ständig drohenden Chaos innewohnende Energie nutzen für neue Aufbrüche in lichte Höhen. Delikat, wie das Scherzo – bei gebotener Schärfe und Kraft – als pielmannszug mit klingendem Spiel anhebt zu marschieren, um von der Pauke mit knochentrockenen Schlägen immer wieder aufgemischt zu werden. Das Trio im zweiten Satz von Beethovens Symphonie Nr. 9 d-Moll op. 125 in der Lesart von Kirill Petrenko als brandneuer Chefdirigent am Pult der Berliner Philharmoniker: ein Perpetuum mobile, ein in allen Farben schilldernder Kreisel, der doch ein Ziel anstebt.
Das Adagio, viel mehr als nur molto e cantabile, klingt, als wäre die Welt doch irgendwie in Ordnung, wenn auch kleine Rubati wie Sandkörner in Getriebe allzu sipmle Nur-Schönheit verhindern, und damit das Abdriften der Zuhörer in gedankenloses Schwelgen.
Das Finale! Ein Triumph zusammen mit dem energiegeladenen Rundfunkchor Berlin in der Einstudierung von Gijs Leenaars und den Vokalsolisten Marlis Petersen, Elisabeth Kulman, Benjamin Bruns und Kwangchul Youn.
Chefdirigent Kirill Petrenko gestaltete die Klangmassen transparent, ließ menschliches Maß ahnen, ohne dem Zuhörer die Lust am Überwältigt-Werden zu nehmen. Nicht oft können sich die Solisten Übermaß der Freude ein Decrescendo erlauben. Unter Kirill Petrenko ist es ihnen möglich, die Soloparts nicht nur lauthals abzuliefern, sondern zu gestalten.
Wie selten, dass der Chor nicht nur in Regimentstärke aufmarschiert (und so singt), sondern mit bündiger Homogenität und lebendigem Sound den Solisten ein mit-gestaltender Partner ist. Nicht nur die Tenöre seien bedankt. Die schillernden Sopran-Höhen „überm Sternenzelt“ werden lange in der Erinnerung funkeln.
Weder nötig noch schlüssig, dennoch eine hoch spannende Kurz-Begegnung mit klassischer Moderne war „vorher“ Alban Bergs Lulu-Suite. Auch hier gilt das Lob klangsinnlicher Opulenz und klang-rednerischer Transparenz. Im Vokalsatz brillierte Marlis Petersen. Unter Kirill Petrenko wurden die Symphonischen Stücke aus der Oper Lulu für Koloratursopran und Orchester zur Filmmusik für einen Hitchcock-Thriller.