Ein Stück weit standen die beiden Abende der Berliner Philharmoniker im Diskurs, denn Alban Berg widmete seine Lulu-Suite seinem Lehrer Arnold Schönberg zum 60. Geburtstag, wohingegen Schönberg sein 1940 in Philadelphia uraufgeführtes Violinkonzert seinem Schüler zueignete. Auf Jascha Heifetz’ Rücksendung der Partitur, weil sie unspielbar sei, reagierte Schönberg ironisch: „Ich freue mich, ein weiteres unspielbares Stück ins Repertoire gebracht zu haben.“
Für die Moldawierin Patricia Kopatchinskaja schienen einfache und doppelte Flageoletts, Glissandi sowie Akkordkombinationen in Folge keine Schwierigkeiten darzustellen. Mit vollem Körpereinsatz und größter Expressivität lässt sie ihre Violine schlank singen.
Bis zum schmerzerfüllten dritten Satz, in dem Schönberg vielleicht auch sein eigenes Emigrantenschicksal anklingen lässt.
Damit leitete das Violonkonzert Schönbergs thematisch zu Tschaikowskis Fünfter Symphonie über, seiner zweiten Schicksalssymphonie. Litt er doch noch stärker als Schönberg aufgrund seines Emigrantentums unter der Tatsache, dass er wegen seiner Homosexualität ein Aussenseiter war.
Während Petrenko sich bei Schönberg mit seiner analytischen Lesart der Partitur in sicheren Gefilden befand – die Gefühle lieferte Kopatchinskaja – ist bei Tschaikowski mehr Emotionalität gefordert. Petrenko ermunterte die Musikerinnen und Musiker, wie schon bei Beethoven am Vortag, zu druckvollem Spiel bei glasklarer Durchhörbarkeit. Wärme konnte dabei nicht entstehen, zumal die Streicher schneidend scharf intonierten. Hier hätte man sich ein Quäntchen Samt der Wiener Kollegen gewünscht, die davon manchmal zu viel auflegen. Stephan Dohr, der das Hornsolo im zweiten Satz blitzsauber intonierte, sei stellvertretend für das brillante Niveau aller Holz- und Blechbläser der Berliner Gäste genannt. Sehr schön herausgearbeitet war die fein abgestufte Instrumentation im Walzer. Der Finalsatz geriet zu schliesslich zu einem rasenden Sturmlauf mit hochaktiven Kirill Petrenko am Pult.
Im Anschluss an die Salzburger Konzerte reisten die Berliner weiter nach Luzern und Bukarest.