Märsche, um den Sieg zu verfehlen

FESTSPIELE / JUGEND / HAU DRAUF

19/08/20 „Hau drauf!“ Das springt als griffige Headline in das zwinkernde Auge. Eine Anregung zum Spiel mit dem musikalischen Gestus der Gewalt in kultureller Sublimierung? Die Altersempfehlung ab 14 Jahren ist jedenfalls sehr vorsichtig angesetzt.

Von Erhard Petzel

Das mehr oder weniger klingende Spiel und die unbekümmerte Auseinandersetzung mit Krieg hegt vielleicht mehr Konfliktpotential bei Erwachsenen als bei Kindern und Jugendlichen. Das Publikum hatte am Sonntag (16.8.) jedenfalls hörbar Spaß an der Veranstaltung. Und für vereinfachende Ausdeutungen allgemeinplätziger Inhalte kann man ohnehin nicht jung genug sein.

Außerdem lässt sich die Wirkung starker Sinneseindrücke altersmäßig schlecht begrenzen, wenn sie sich im Rahmen kultureller Zuträglichkeit hält. Bewegt in der verdunkelten Aula Rupert Struber bei Schwarzlicht in blauen Handschuhen einen neongrünen Stock zu Casey Cangelosis Bad Touch für Soloperformer und Playback, hat das eine attraktive Optik und ist ein luftvirtuoser Spaß. Zu Rauschen, Klicken und Stimmen gesellen sich solide Percussion-Strukturen vom Band, die von der Mini-Stabführer-Attitüde bis zum Trommelwirbel durch den Musiker veranschaulicht werden.Die Ironie dahinter mag den Erwachsenen gelten. Das Faszinosum der Show erfasst alle.

Erst die zunächst an Napoleon orientierte komische Kostümierung Bina Blumencrons, agil für die Conference im Spiel, macht das Verhältnis Krieg und Schlagwerkwesen sichtbar, indem sie als Stabführerpopanz das Marschieren problematisiert. Dazu Informationen und Doppelconferencen mit Musikern inklusive Schlagwerkvorstellung. Sie jagt das oenm unter Leitung von Josef Steinböck an die Arbeit, die da ist: Mauricio Kagels 10 Märsche, um den Sieg zu verfehlen. Diverse Texte aus dem Hörspiel Der Tribun (1978/79), zu dem die Märsche komponiert wurden, sind ebenfalls Sache von Bina Blumencron.

Alles ist vom Aberwitz geprägt, der darin besteht, Floskeln und Formeln möglichst sinnentleert aneinanderzureihen, wobei sowohl musikalisch wie textlich fallweise pseudotiefsinniger Metawitz aufleuchtet. Ein beispiel: Nach dem Vermanschen von Liebsein, Blut, Nation und Volk gipfelt die Zuordnung von Gut und Böse in der Erkenntnis, dass wir, das Volk, nicht nur gut und böse, sondern das Gute im Bösen seien. In der Musik ist gewitzte Dekonstruktion ohnehin letztlich nur eine andere Seite der Konstruktion, sodass die Parodie nicht unbedingt weniger attraktiv sein muss als ein orthodoxes Original.

Rupert Struber und Johannes Eder kommen zu ihrem geklatschten Hand-Solo mit Steve Reichs Clapping Music. Auch hier das Thema gegenständiger Rhythmen in polyphoner Einheit. Getoppt wird dieser Bodypercussion-Klassiker aus 1972 von dem klanglich wie rhythmisch äußerst attraktiven War Drum Peace Drum für Snare Drum Solo und Audio aus 2013 von David Reeves, einem Duo von Mensch und Maschine mit erbarmungslosem Korsett für die menschliche Präsenz, die präzise auf die Tonkulisse reagieren muss und damit selbst zur Maschine wird.

Die Uraufführung einer Komposition des Klarinettisten des Ensembles, Theodor Burkali, versucht sich ebenfalls in die thematische Rahmenerzählung der Veranstaltung hinein zu reklamieren und ist dem Ensemble auf den instrumentalen Leib zu geschneidert. Aequilibrium für Ensemble hat als Programm das Gleichgewicht als Grundlage des Friedens, wobei eine minimalartige Passacaglia auf klassischer Harmoniebasis vorliegt. Die klanglichen und rhythmischen Entwicklungen sind apart und effektvoll und sicher dazu geeignet, das Ohr aller Altersgruppen zu erfreuen. Alles in allem ein schlagender Zirkus mit einer gekonnten Mischung aus Information, Konzert und Klamauk.

Die Konzert-Performance „Hau drauf“ ist noch zwei Mal zu erleben, am 22. und 29. August, 18 Uhr, in der Großen Aula – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Erika Mayer