Des Beifalls lange nicht genug

FESTSPIELE / WIENER PHILHARMONIKER / THIELEMANN

21/08/20 Manchmal macht sogar Thielemann etwas falsch: Am Freitag zur Mittagsstunde, nach der Romantischen von Bruckner, hat er die Wiener Philharmoniker eindeutig viel zu früh vom Podium geschickt. Das Publikum war nach dieser Wiedergabe absolut nicht der Meinung, dass des Beifalls schon genug sei.

Von Reinhard Kriechbaum

Zwei Mal also wurde Thielemann auf die nun schon fast musikerlose Bühne des Großen Festspielhauses zurückgeklatscht. Das war redlich verdient so, von ihm und dem Orchester. Gibt es eines, dessen Bratschisten ihre Endlos-Melodie im Andante-Satz der Vierten Symphonie zum Pizzikato der Streicherkollegen so sagenhaft betörend rüberbringen? Und gibt es ein anderes Orchester, dessen Hörner – Wiener Hörner eben! – sich derart flauschig, mit dem Bratschentimbre fast verschmelzend, einbringen? Also: es gibt auch gute Argumente fürs Bratscher-Sein. Thielemann und die Philis...

Die Wiener Philharmoniker wirken auch am Ende der dritten Festspielwoche noch ausgeruht. Und wenn wir schon von Instrumenten spezifisch Wiener Bauart reden: Das Ende dieses Andante-Satzes, mit der Melodie des Solohornisten und den Pauken-Quarten, suchte an diesem Vormittag auch seinesgleichen. Viel Erhellendes, eben weil Thielemann ganz Ohr schien für diese Angebote des Orchesters, das ihm nicht nur im Finale Melodien quasi im Volksliedton offeriert hat, wie sie so charmant auch nur selten rüberkommen. Daraus hat Thielemann dann das symphonische Ganze gebaut, als ein opus summum geboren aus der Gunst der Stunde. Wie da im Scherzo die Trompeten keck hinein kichern durften ins Bläser-Hauptthema!

Vor Bruckner kam Wagner, die Wesendonck-Lieder. Mit Elenena Garanča. Merklich ausgeruht auch sie, aber es braucht ja kaum vokale Kraft, wenn Thielemann kammermusikalische Duftmarken setzt im Orchestersatz von Felix Mottl (Wagners kaum einmal aufgeführtes Original ist für Singstimme und Klavier). Nicht die Spur von Dicke. „Stille wird’s, ein säuselnd Weben“ – Geigenvibrati vernehmlich geräuschhaft ganz nahe am Steg: Es sind immer wieder diese Kleinigkeiten, die erkennen lassen, wie nachhaltig sich Christian Thielemann einbringt in Umsetzen des Instrumentations-Handwerks.

Und dazu also die Garanča, souverän die Bögen zeichnend, sorgsam aufs Wort bezogen artikulierend. Wundersam leicht angesteuert, ohne jedes Forcieren, die Hochtöne am Ende jeder Phrase in der Tristan-Vorstudie Im Treibhaus. Nicht nur da unendlich viel unaufdringliches Charisma.

Das Konzert wird am Samstag (22.11.) um 11 Uhr wiederholt – www.salzburgerfestspiele.at 
Ab 26. August 20.30 Uhr auf ARTE, Übertragung am 6. September in Ö1
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli