Vier flatterhafte Kolibris

FESTSPIELE / JUGEND / SCHRÄG/STRICH

05/08/21 Die Zweite Geige, ein selbstbewusster Schnösel. Zumindest sieht es geraume Zeit danach aus. Ganz anders die Bratsche, ein wuseliger, manchmal gar ein bisserl aufdringlich wirkender Kontakt-Sucher. Kommt bei der ersten Geige zuerst nicht so wirklich gut an.

Von Reinhard Kriechbaum

Und dann noch das Cello. Ein Migrant womöglich, der vorsichtig abwartend agiert, sein Umfeld erst in Augenschein nimmt, bevor er sich auf Begegnungen, auf Gespräche gar einlässt? – Die Produktion schräg/strich im Jugendprogramm der Festspiele eröffnet einen ganz wunderbaren Assoziationsraum. Und das ganz gewiss nicht nur dem jungen Publikum. Dieses bekommt anschaulich vorgeführt, worum es in der Musik essentiell geht – um die Kommunikation. Die erwachsenen Begleiter können ebenso Profit ziehen, vor allem wenn sie die Werke kennen: Was für gestische Optionen stecken doch in Mozarts Streichquartett d-Moll KV 421 und im Quartett g-Moll von Debussy!

schräg/strich heißt im Untertitel „ein inszeniertes Konzert mit viel Bewegung und Dynamik“. Nicht zuviel versprochen. Aber es ist nicht so, dass es nur rund geht zwischen den acht metallglänzenden Bühnenelementen, die Sitzmöbel und Trennwand zugleich sein können, hinter denen man vorsichtig hervorlugen oder hinter die man sich zurückziehen kann, wenn das Quartett-Treiben gar zu viel Gruppendynamik entwickelt.

Die Kernidee ist schlicht, die Umsetzung ganz wunderbar poetisch. Jungen Leuten „Streichquartett“ zu erklären, darum geht’s. Wir älteren Semester haben im Musiklehrer-Unterricht gelernt: „Da unterhalten sich vier gescheite Leute.“ Das ist als Erklärung zu knöchern, es geht viel cooler. Zum Beispiel so, wie es das Beija-flor Quartet vorführt, unter Anleitung des niederländischen Theaterkollektivs OORKAAN (Caecilia Thunnissen, Regie, Morgana Machado Marques, Bühne, Merel van Marken Lichtenbelt, Kostüme). Das junge Streichquartett, dessen Mitglieder an der Universität Mozarteum zueinander gefunden haben, ist wahrhaft polyglott: Haruna Shinoyama, Alkim Berk Önoglu, Camille Havel, Guilherme Moraes – internationaler, multikultureller geht’s nicht. Aber alle Wege führen zur gemeinsamen Musik.

Die vier bunten Vögel in Sneakers (Beija-flor heißt Kolibri) also gehen, jeweils mit ihrem Instrument, auf der liebevoll ausgeleuchteten Bühne in der Kunsthalle des Salzburg Museums ihre Wege: Sie begegnen einander zufällig oder absichtsvoll, verhalten sich neugierig oder ablehnend, sie bilden Partnerschaften oder grenzen Partner aus – das aber nie auf Dauer, weil Musik hat ja etwas Verbindendes. Sonst würde nie und nimmer ein Streichquartett draus...

Das Spielerische dieser Produktion nimmt vom ersten Ton, vom ersten Auftritt weg ein. Der musikalische Bearbeiter David Dramm hat Mozart und Debussy mit lockerer Hand zueinander geführt. Wesentliches destilliert. Gerne isoliert er Motive oder greift in den Satz ein: Wenn der Cellist mit trauriger Miene sein Instrument stumm hinter sich her zieht im langsamen Satz des Debussy-Quartetts, dann kapiert man rasch, was einen vierstimmigen Satz ausmacht. Da beginnt's plötzlich zu jazzeln, dort nehmen Pizzicato-Passagen Banjo-Sound an. Das Trio aus dem Mozart-Menuett taugt zu einem szenischen Versteckspiel.

Aus dem Hören und Sehen entstehen liebenswürdige kleine Geschichten. Wahrscheinlich hört man die beiden Musikstücke fortan mit neuen Ohren. Das Allerletzte, was einem zu dieser mit leichter Hand arrangierten Einführung ins Thema Streichquartett einfiele, ist das Wort Didaktik. Die ist zwar immer da, aber ganz wunderbar versteckt.

Weitere Aufführungen am 8., 11., 17. und 22. August im Salzburg Museum – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Erika Mayer