Klänge wie Pinselstriche...

FESTSPIELE / ZEIT MIT FELDMAN 

09/08/21 … eine Andacht in Klangfarben. Mit dem Ausnahmewerk Rothko Chapel, den beiden Werken für Chorus and Instruments und dem Instrumentalstück De Kooning sorgte die dritte Zeit mit Feldman am Sonntag (8.8.) für eindringlich leise Töne in der Kollegienkirche.

Von Cay Bubendorfer

Die enge Beziehung zur Malerei seiner Zeit ist im Werk von Morton Feldman vielfach ablesbar. Ganz explizit wird sie im Stück Rothko Chapel, das denselben Namen trägt wie die oktogonale Rothko Chapel in Houston, die der Maler Marc Rothko mit 14 Gemälden als einen Ort der Kontemplation gestaltet hat. Tatsächlich komponierte Feldman das Werk in der ungewöhnlichen Besetzung für gemischten Chor mit Solopartien für Sopran und Alt, Solo-Bratsche, Celesta und Schlagzeug für diesen besonderen Raum, wo es 1972 auch uraufgeführt wurde. Zugleich ist die Komposition eine Verneigung Feldmans vor Marc Rothko als einem engen Künstlerfreund, der sich noch vor der Einweihung der Kapelle das Leben genommen hatte.

Nicht nur den Ohren, dem ganzen Menschen als Zuhörer eröffnet Morton Feldmans Rothko Chapel einen Raum voller klanglicher Bilder, in dem die Zeit zu verschwinden scheint. „Ich stellte mir eine unbewegliche Prozession vor, die Friesen auf griechischen Tempeln ähnelte“, schrieb Feldman in einem Begleittext zum Werk: In vier großen Abschnitten prägen wechselweise Chor und Glocken, melodiöser Solosopran und Viola in Begleitung der Pauken, schließlich die Viola gemeinsam mit dem Vibraphon und wieder der Chor die Klangfarben im musikalischen Dahinschreiten. Wunderbar „ausgemalt“ von den exzellenten Sängerinnen und Sängern des 2016 gegründeten Cantando Admont und den Solistinnen und Solisten des Klangforum Wien, wunderbar „angeführt“ von Emilio Pomàrico am Pult – auch in der weiß-barocken Kollegienkirche eine ins Innerste gehende Musik, die den lärmigen Rest der Welt verblassen lässt. Für den anhaltenden Applaus dankte man dem Publikum mit einer Wiederholung des letzten Teils.

Dramaturgisch klug gereiht, bereiteten drei Werke aus den 1960er Jahren den Weg zur Rothko Chapel. De Kooning für Horn, Schlagzeug, Klavier, Violine und Violoncello entstand 1963 zunächst als Musik zum Film von Hans Namuth über den Maler Willem de Kooning. Feldman sah es jedoch als vollgültiges Werk und veröffentlichte es als autonome Komposition. Wenige, kleine Intervalle, vor allem aber Klänge, die ohne Eile fast im Nichts beginnen und enden, einer praktisch nahtlos an den anderen anschließend, fühlen sich wie akustische Striche eines breiten, weichen Pinsels an.

Mit Chorus and Instruments betrat der Cantando Admont die Bühne, beginnend mit dem kurzen Werk Chorus and Instruments II 1967 und nur in Begleitung von Röhrenglocken und Tuba – beide von Feldman (fast unbeschreiblich, aber absolut organisch hörbar) als Erweiterung menschlicher Stimmfarben eingesetzt. Im nahtlos folgenden Chorus and Instruments I, entstanden 1963 für gemischten Chor und Instrumentalensemble, gehen beide Symbiosen ein, die ihre Intensität aus dem gemeinsamen Atmen und Atem-Holen, dem Wechsel von schwebendem Klang und Pause, schöpfen.

Was diese „Zeit mit Feldman“ über die Musik und die herausragenden Interpreten hinaus so intensiv werden ließ, war ein hoch konzentriertes Publikum. Kein Husten, kein Handy, kein Getuschel. Nur „Still Life“. Wie schön!

Bilder: SF / Marco Borelli