Die Camerata als Wond’rous Machine

HINTERGRUND / KARAJAN YOUNG DIRECTORS AWARD

10/08/21 Die Würfel sind gefallen, der Der 1994 geborene Brite Joel Sandelson hat am Montag, am Ende des YCA Concert Weekend (7.-9.8.) den Herbert von Karajan Young Directors Award entgegen genommen.

Von Reinhard Kriechbaum

„Wir haben uns schlussendlich für Joel Sandelson entschieden, weil er seine angeborene Musizierfreude in den Dienst der Musik gestellt hat und seine musikalischen Vorstellungen deutlich durchgesetzt hat“, so Juryvorsitzender Manfred Honeck bei der Bekanntgabe des Preisträgers 2021.

In einem Pressegespräch einige Wochen vor Beginn der Festspiele hat Intendant Markus Hinterhäuser einen der Beweggründe benannt, warum es auch für die Festspiele von essentieller Bedeutung ist, junge Dirigenten aufzustöbern und zu fördern: Man muss ja nicht erst bei Herbert Blomstaedt mit seinen knackigen 94 Jahren anfangen. Riccardo Muti ist heuer achtzig geworden, Barenboim ist achtundsiebzig – Blutauffrischung an den Dirigierpulten ist, brutal formuliert, eine biologische Notwendigkeit. Da ist der Dirigierpreis, der neuerdings Herbert von Karajan Young Directors Award heißt und alle zwei Jahre im Festspielsommer vergeben wird, ein gutes Instrument, Kandidatinnen und Kandidaten aufzuspüren.

Mirga Gražinytė-Tyla, die diese Auszeichnung 2012 gewonnen hat, war kurze Zeit drauf Opernchefin im Salzburger Landestheater und ist unterdessen Chefdirigentin beim City of Birmingham Symphony Orchestra. Zum Auftakt der Festspiele hat sie heuer in der Felsenreitschule Brittens War Requiem dirigiert. Maxime Pascal war 2014 Preisträger, auch ihm ist man heuer bei der Ouverture spirituelle wiederbegegnet. Auch andere Preisträger der letzten Jahre – Gábor Káli (2018), Kerem Hasan (2017), Aziz Shokhakimov (2016), Lorenzo Viotti (2015), Ben Gernon (2013), Ainārs Rubikis (2011) und David Afkham (2010) – sind seither einige Sprossen hinauf geklettert auf den Karriereleitern.

Heuer waren es 250 Bewerberinnen und Bewerber. Eine Jury-Erfahrung, wenn sie deren Tonaufnahmen zur Vorab-Auslese sichtet: Junge Dirigenten müssen sich da oft mit nicht so guten Orchestern und nicht so guter Aufnahmequalität herumschlagen. Da ist das Live-Arbeiten mit der Camerata Salzburg für jene acht Kandidaten, die diesmal in die engere Wahl kamen, ein Hit. Und natürlich insbesonders die Schlussrunde, bei dem die drei Kandidaten dann ganze Konzertprogramme realisieren. Ab Samstag (7.8.) war es wieder so weit, drei Nachmittagskonzerte im Großen Saal des Mozarteums. „Ich habe es unglaublich genossen mit der Camerata Salzburg zu arbeiten, der ich besonders danken möchte“, so der Preisträger Joel Sandelson. „Auch von meinen beiden Kollegen habe ich sehr viel gelernt.“

Seine musikalische Laufbahn begann Joel Sandelson als Cellist, wobei er in Rezitals und Kammermusikkonzerten u. a. in der Wigmore Hall in London zu hören war. Zudem gab er Solistenkonzerte in ganz Europa, nahm erfolgreich an mehreren Wettbewerben teil und musizierte als Barockcellist mit führenden britischen Alte-Musik-Formationen. Aufführungspraktisches Wissen und entsprechende Flexibilität gehört unterdessen ja zum unverzichtbaren Rüstzeug nicht nur für junge Dirigenten. Folgerichtig ist Joel Sandelson künstlerischer Leiter eines Barockorchesters mit dem hübschen Namen Wond’rous Machine.

Sandelson schloss sein Dirigierstudium 2016 an der Cambridge University mit höchsten Auszeichnungen ab und setzte seine Ausbildung an der Londoner Royal Academy of Music bei Sian Edwards fort. Von 2018 bis 2020 erhielt er das Leverhulme Conducting Fellowship des Royal Conservatoire of Scotland. In dieser Zeit war er Assistenzdirigent beim BBC Scottish Symphony Orchestra unter Thomas Dausgaard. Weitere wichtige Impulse erhielt er am renommierten Tanglewood Music Centre sowie bei Dirigenten wie Sir Roger Norrington, Thomas Søndergård, Martyn Brabbins, Jorma Panula und Mark Stringer. Zudem assistierte er bei Mark Elder, Jac van Steen, Edward Gardner und Trevor Pinnock. 2020 gewann er den 3. Preis bei der 1. Siemens Hallé International Conductors Competition.

Der von Rolex finanzierte Herbert von Karajan Young Conductors Award wurde zum zehnten Mal verliehen. Vielleicht wichtiger als das Preisgeld – 15.000 Euro – ist die Gelegenheit, im Jahr drauf ein Festspielkonert mit dem RSO Wien zu dirigieren, das natürlich aufgezeichnet und in der Reihe Festspieldokumente als CD veröffentlicht wird.

Übertragungen von YCA Award Concert Weekend am 28. August um 15.05 in Ö1
Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli (2); Erika Mayer (1)