Society-Klatsch nach Noten

FESTSPIELE / HONECK / GOERNE

25/08/21 So viele Sub-Dirigenten! Ältere weiße Männer geben gern Einsätze. Da hat man, besonders wenn eh nur ein einzelner Pianist auf dem Podium werkelt, auch schon eisig um unauffälligere Assistenz gebeten. Diesmal verstärkten die begeisterten Maestri im Publikum einfach die Begeisterung über das Gustav Mahler Jugendorchester unter Manfred Honeck mit der Siebten Beethoven.

Von Heidemarie Klabacher

Dabei hat alles ganz still angefangen. Mit Richard Wagners Siegfried-Idyll für Kammerorchester WWV 103. So konsequent und betörend leise hat man das Kleinod – genau nachgedacht – tatsächlich noch nie gehört. Ein tragfähiges und klares Pianissimo, das seinerzeit auch gut ins Stiegenhaus der Wagner-Villa nahe Luzern gepasst hätte, erfüllte die Felsenreitschule. Fein gewobener Bläsersound, ein Hoch auf die Hornistin, malte Wagner-Stimmung en miniature. Trotz üblicher Mehrfachbesetzung intimer transparenter Streicherklang, den auch ein einfach besetztes Streichquartett nicht delikater hingebracht hätte.

Wagner hat das Kleinod seiner Cosima zum 33. Geburtstag im Dezember 1870 geschenkt. Da waren sie grade mal vier Monate verheiratet, weil deren Ehemann Hans von Bülow erst fünf Monate zuvor in die Scheidung eingewilligt hatte. Der titelgebende Siegfried, der jüngste der drei gemeinsamen Wagner-Sprösslinge, war bei der Uraufführung eineinhalb Jahre alt, die erste Tochter, Eva, drei Jahre älter... Wagner und die Frauen. Jaja. Sie schreibt die Gedichte, er die Musik... Es war aber nicht Cosima, sondern die 1866 verstorbene Minna, die dessen Verhältnis mit Mathilde Wesendonck – platonisch oder weniger platonisch – hat auffliegen lassen.

Fünf Gedichte für eine Frauenstimme und Klavier WWV 91 – Wesendonck-Lieder erklangen am Dienstag (24.8.) in der Fassung für eine Altstimme (Bariton) und Kammerorchester von Hans Werner Henze. Es sang tatsächlich einmal ein Bariton – nämlich Matthias Goerne. Der opulent wagnernde Symbolismus der Texte legt die Nummern ohnehin nicht eindeutig auf Frauen- oder Männer-Lieder fest. Und die reich timbrierte Stimme Goernes fügte sich beinah wie eine weitere Instrumentalstimme in den elektrisierenden „tristanisierenden“ Kammerorchester-Klang von Hans Werner Henzs Fassung ein. Geschmeidig und wendig auch in den wenigen höheren Passagen. Zugeben, da und dort war ein Wort oder Halbvers vielleicht nicht ganz restlos zu verstehen, wenn man mit den Gedichten nicht vertraut ist. (Bei der Goerne/Hinterhäuser'schen Jahrhundert-Müllerin vor wenigen Wochen hätte auch ein Nicht-Muttersprachler so gut wie alles verstehen und mitschreiben können.) Der Bariton und die Instrumentalisten weben einen Sound-Teppich aus quasi lauter Seidenfäden: Da erkennt man im Gesamtbild auch jedes Detail. Keineswegs will man nach der delikaten Wiedergabe im Piano so schnell wieder eine orgelnde Altstimme mit diesen Liedern hören.

Wagner mochte Beethoven und mochte besonders dessen Siebte. Dramaturgie und Grunds genug, diese nach den Wagner-Intimitäten auf's Pult zu legen. Manfred Honeck ließ das fulminant aufspielende Gustav Mahler Jugendorchester aber keineswegs unkontrolliert loslegen, sondern hielt den Deckel auf dem Topf, in dem es sehr wohl von Anfang an wild brodelte. Die Kontrolle steigerte die Spannung, potenzierte die Effekte. Jedes Forte im Tutti war daher auch eine kräftige und jeder noch so leise Schlag auf die Pauke immer noch eine kleine Explosion. Von irgendwoher kam der Trauermarsch leise gezogen, federnd und voll Energie. Selbst im Finale ließ Manfred Honeck nicht die Zügel schießen, wenn die jungen Gäule (und Gäulinnen) auch gelegentlich durchzugehen drohten. Eine reine Freude, gerne hätte man welchen Satz auch immer noch einmal da capo gehört. Honecks Co-Kollegen im Publikum waren auch einverstanden und klatschten heftig.

Bilder: SF / Marco Borrelli