Message control

FESTSPIELE / ANNE-SOPHIE MUTTER

29/08/21 Normalerweise tut's die Tonbandansage vor den Festspielaufführungen, aber im Fall von Anne-Sophie Mutter steht es auch eigens auf der ersten Seite im Programmheft: Das Fotografieren sowie jegliche Tonaufzeichnungen während des Konzerts sind verboten.

Von Reinhard Kriechbaum

Da denkt man schon nach, was von beidem denn schlimmer wäre. Die Fotos können's nicht sein. Das goldockerfarbene Kleid mit dem bodennahen riesigen weißen Blumendekor und ausreichend Glitzer macht auch für die letzte Stuhlreihe noch was her. Selbst falls sie ein wenig pixeln sollten im Handyformat, ähnelten die unerlaubt aufgenommenen Bilder jenen in den Cover-Storys, an denern es Anne-Sophie Mutter nicht mangelt. Es muss also schon um den Ton gehen. Wenn sie anhebt in Mozarts Sonate e-Moll KV 304 – oh je. Ein so seifiges Piano sollte man tatsächlich besser nicht schwarz mitschneiden, wie so manches im Solistenkonzert am Samstag (28.8.) im Großen Festspielhaus. Wir haben es im Fall von Anne-Sophie Mutter mit perfekter Message control zu tun, wie ein weiterer Blick ins Programmheft bestätigt. Nicht weniger als sechs Spalten Künstlerinnen-Biographie! Das dürfte Rekord sein in den sonst eher streng redigierten Publikationen der Festspiele.

Pingelig ist ihr soziales Engagement aufgelistet. Die Zielgruppen, für die sie Benefizkonzerte gibt. Die Tätigkeit ihrer Stiftungen... Kurz all das, womit Anne-Sophie Mutter sich tatsächlich verdient macht als – wir zitieren aus dem ersten Absatz – „Solistin, Mentorin und Visionärin“, die „der Aufführung traditioneller kompositionen genauso verplichtet“ ist „wie der Zukunft der Musik“.

Die kontollierte Botschaft funktioniert. Während am Vorabend bei Mitsuko Uchidas exzeptionellem Schubert-Konzert im Haus für Mozart so manche Plätze frei blieben, war das Große Festspielhaus für die Mutter bumvoll. Für den Konzert-Ernstfall hat die Geigerin einen unbezahlbaren Helfer, den Pianisten Lambert Orkis. Er dient ihr seit mehr als drei Jahrzehnten und weiß genau, wo er eingreifen muss. Orkis ist ein wirklich guter Musiker und vor allem ein Kammermusiker, der sich auf die Führungsrolle versteht. Phrase um Phrase legt er die richtigen Fährten, denen Anne-Sophie Mutter nur zu folgen braucht. Das Mozart-Stück, dann Beethovens Frühlingssonate, nach der Pause der Geigen-Gassenhauer von César Franck, die Sonate A-Dur. Im ersten Satz der Frühlingssonate wäre sie beinah mal hängen geblieben, aber man war schnell wieder beisammen. Irgendwelche gestalterische Impulse seitens des Streichinstruments waren nicht zu vernehmen.

Auch nicht in der Franck-Sonate, der Lambert Orkis eine Überfülle impressionistischer Färbungen angewann. Das war auch nicht schwierig, weil auch da von Anne-Sophie Mutter so gut wie keine Eigeninitiativen ausgingen. So nichtssagend-glänzend kann Message control ausfallen. Da könnte unser Bundeskanzler sich noch was abschauen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli