Ein Fest junger Gesangskunst

FESTSPIELE / YSP / ABSCHLUSSKONZERT 

29/08/21 Das Abschlusskonzert des Young Singers Project war der großen Christa Ludwig (1928-2021) gewidmet. Sie war von 1955 bis 1993 als Sängerin und dann bis 2019 als Pädagogin den Festspielen verbunden. Die scheidende Präsidentin Helga Rabl-Stadler fand bewegende Worte. An ihrer Seite YSP-Leiterin Evamaria Wieser und das Sponsoren-Ehepaar Kühne: Das YSP ist dem Führungsteam ein Herzensanliegen. Möge es das bleiben.

Von Gottfried Franz Kasparek

Längst unverzichtbar ist das Mozarteumorchester, welches den gebotenen Reigen der Arien und Ensembles von Händel bis Korngold mitatmend und präzis begleitete, unter der Stabführung des souveränen Kapellmeisters Adrian Kelly, der seit 2015 auch musikalischer Leiter des Projekts ist. Gleich vorweg und mit aller Vorsicht – von den jungen Leuten, die sich präsentierten, möchte man noch viel hören. Auch von den beiden jungen Damen, die den Anfang bestritten, weil sie in die Felsenreitschule eilen mussten, um dort ihren Dienst als Schleppenträgerinnen der Klytämnestra in „Elektra“ zu erfüllen. Die Britin Verity Wingate sang mit glockenheller Stimme und schönem Ausdruck das „Dove sono“ der Figaro-Gräfin, die Russin Evgenia Asanova mit pastosem, bestens geführtem Mezzo „Parto, ma tu, ben mio“ aus „La clemenza di Tito“.

Mozart stand im Mittelpunkt des ersten Konzertteils, der mit der „Schauspieldirektor“-Ouvertüre schwungvoll begonnen hatte. Die Österreicherin Miriam Kutrowatz erfreute als mädchenhafte Pamina gemeinsam mit dem sonoren deutsch-amerikanischen Bariton Gabriel Rollinson als Papageno. Die feinmetallisch timbrierte Sopranistin zeigte sich später als Händels Cleopatra sehr koloraturgewandt, der raumfüllende Bariton trumpfte mit der Figaro-Arie aus dem dritten Akt von „Le nozze di Figaro“ effektvoll auf. Liubov Medvedeva aus Russland, eine entzückende Darstellerin, sang eine Aria aus Haydns „Il mondo delle Luna“ mit Witz und entsprach Mozarts Blonde nicht nur durch ihre Haarfarbe, sondern auch durch Soubretten-Temperament.

Der ungarische Rumäne Alexander Köpeczi sekundierte im Duett aus der „Entführung“ als bassprofunder Osmin. Er ist ja nicht nur als Gefängniswärter in der Festspiel-„Tosca“ vertreten, sondern singt an den Opernhäusern in Cluj und Budapest schon zum Beispiel Sarastro. Und ließ im zweiten Konzertteil seinen dunklen, voluminösen Bass als Fiesco in Verdis „Simon Boccanegra“ eindrucksvoll strömen.

Der deutsche Countertenor Tobias Hechler beeindruckte vor allem mit den virtuosen Koloraturen des Caio in Vivaldis „Ottone in villa“ und gab einen lyrischen Händel-Sesto ab an der Seite der Südafrikanerin Freya Apffelstaedt, deren Alt als Cornelia in „Giulio Cesare“ voluminös erklang. Nach der Pause heimste die in Deutschland lebende Sängerin mit Rezitativ und Arie der Sapho aus der weithin unterschätzten Oper Gounods verdienten Jubel ein, so stilsicher, klangschön und berührend interpretierte sie die Stanzen der antiken Dichter-Komponistin. Man würde Freya Apffelstaedt gerne auf der Bühne in dieser Rolle erleben, die auch ihrer Persönlichkeit hervorragend zu entsprechen scheint.

Nach der Pause schlug die Stunde der Tenöre. Sebastian Mach aus Polen ließ als Ramiro in Rossinis „La Cenerentola“ große Begabung zum „Tenore di grazia“ und Höhenartisten erkennen; im Duett mit Norina aus Donizettis „Don Pasquale“ verströmte er helles Belcanto vom Feinsten. Norina war Ikumi Nakagawa, die schon vorher in der Arie der Leila aus Bizets „Perlenfischern“ nicht nur mit liebenswertem Auftreten gepunktet hatte, sondern auch mit einer betörend lyrischen und technisch gut durchgeformten Sopranstimme. Kaum zu glauben, dass sie die erste Japanerin in diesem Projekt ist!

Als erster Mexikaner erschien Ángel Macías, jeder Zoll ein Tenor aus dem Süden, der Rezitativ und Kavatine des Roméo aus Gounods Oper mit wahrem Herzblut, feinem Legato und strahlenden Höhen sang. An der mitunter etwas flackernden Mittellage sollte er noch arbeiten – das bronzene Timbre ließ mit seiner Eigenart auf jeden Fall aufhorchen. Im Duett von Rodolfo und Marcello aus Puccinis „La Bohème“ war der Russe Nikolai Zemlyanskikh sein jugendfrischer Bariton-Partner, der später mit dem Tanzlied des Pierrot - „Mein Sehnen, mein Wähnen...“ - aus Korngolds „Die tote Stadt“ einen echten Opernschlager des 20. Jahrhunderts in bewundernswertem Deutsch und mit frei und glanzvoll strömender Edel-Stimme zu einem der Höhepunkte des Abends machte.

Am Ende vereinten sich alle Mitwirkenden – ausgenommen die Schleppenträgerinnen – zu einem furiosen Ensemble aus Puccinis „La rondine“, einem begeisterten Hymnus auf ein „Fest der Liebe“. Ein würdiges Finale für ein umjubeltes Fest der Gesangskunst, die nicht sterben wird wie die Liebe in Puccinis Stück, sondern leben, solange sich ihr junge Sängerinnen und Sänger mit solcher Begeisterung widmen.

Bilder: SF / Marco Borrelli