Kein Huster im Konzert

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29/07/10 Ivo Pogorelich musste krankheitsbedingt kurzfristig absagen. Innerhalb von 24 Stunden ist die 1983 in Tokio geborene Pianistin Yu Kosuge eingesprungen. Die Schülerin von Karl-Heinz Kämmerling am Mozarteum verzauberte am Mittwoch (28.7.) im Haus für Mozart mit Chopins zweitem Klavierkonzert.

Von Heidemarie Klabacher

altUngeheure Energie steckte Yu Kosuge in die kontrolliert gesteigerten Crescendi, in die expressiven, aber nicht laut gehämmerten, Fortepassagen des „Maestoso“ von Frédéric Chopins Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 f-Moll op. 21. Im langsamen Satz „Larghetto“ hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können, so still war es im Saal, so konzentriert, so spürbar gebannt war das Publikum von dem feinen doch kraftvoll gesponnenen pianistischen Rankenwerk. Dieses auffallende „Nicht Husten“ war mehr als ein Kompliment: Es zeigte, dass hier eine Künstlerin ihr Publikum gepackt hatte. Rumpelstilzig-übermütig stürzte sich Yu Kosuge dann in die vielfältigen polnischen Tanzrhythmen des Rondos.

Die Chopin-Konzerte sind Virtuosenkonzerte, bei denen das Orchester naturgemäß die zweite Geige spielt. Für Yu Kosuge war der Orchesterpart dennoch viel mehr als ein kostbarer Klangteppich, aufgerollt zur Selbstdarstellung. Die vielen kleinen und kleinsten Dialoge des Soloklaviers mit den Holzbläsern etwa - besonders mit dem Fagott, aber auch mit den Klarinetten - waren berührende Augenblicke intensiven Austauschs. Nach der Pause saß Yu Kosuge dann im Publikum und gab rundum fröhlich Autogramme.

altZwei Symphonien von Robert Schumann umrahmen je eines der beiden Klavierkonzerte von Frédéric Chopin: „Gipfeltreffen der Romantik“ nennt das Programmheft den zweiteiligen Zyklus der Camerata Salzburg unter der Leitung von Philippe Herreweghe.

Chopin und Schumann wurden beide 1810 geboren, feiern heuer als „Jahresregenten“ ihren 200. Geburtstag. Zwei solche “Originalgenies“, Zeitgenossen, die so unterschiedliche Ausdrucksformen gefunden haben, einander gegenüberzustellen, ist immer interessant. Eine kluge Dramaturgie steckt hinter diesem scheinbar „nur“ romantischen Zyklus.

Tatsächlich machte gerade die Abwesenheit von jeglichem romantischen Überschwang das erste Konzert der Camerata Salzburg im Haus für Mozart so spannend. Mit Understatement und Zurückhaltung, ja mit nüchternem Forscherblick, schien Philippe Herreweghe sich Robert Schumanns erster und dritter Symphonie - „Frühlingssymphonie“ und „Rheinischer“ - zu nähern. Keine Spur von heiter erwachenden Frühlingsstimmen oder -gefühlen in op. 38. Keine ungebärdige Volkstümlichkeit im ersten, keine backstein-gotische Altertümelei im vierten Satz von op. 97. Wenig Vibrato, Energie statt Lautstärke, Spannung im Dialog, dazwischen immer wieder fein timbrierte Bläsersoli: ein erfrischend klarer und klärender Blick auf Schumann.

Beim zweiten Konzert, am Samstag (31. Juli) um 20 Uhr im Haus für Mozart, spielt die Camerata Salzburg Schumanns die vierte und die zweite Symphonie von Schumann. Weiters auf dem Programm steht das Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 e-Moll op. 21 von Chopin. Anstelle von Ivo Pogorelich spielt Polina Leschenko.
Bilder: www.yu-kosuge.com /SFS/Wolfgang Lienbacher