asdf
 

Szenen einer Ehe von gestern

FESTSPIELE / LANDESTHEATER / ANGST

29/07/10 „Angst“, so der Titel von Stefan Zweigs Novelle, hat alle Zutaten für ein horribles psychologisches Kammerspiel: intensiv, emotional, subjektiv mit gelungenem Plot. Koen Tachelet hat den Text für die Bühne bearbeitet, Regie führt Jossi Wieler.

Von Christiane Keckeis

Ehefrau hat Affäre, gerät in die Fänge einer Erpresserin, vergeht aus Angst vor der Entdeckung. Angst bestimmt ihr Leben, beklemmend, nimmt ihr die Luft, letzter Ausweg: Selbstmord. Hier kommt der Gatte dazwischen. Er hat die Erpressung fingiert, inszeniert, ist der Drahtzieher, der seine Ehe retten wollte. Große Emotion,  Entwicklung, das Immer-Enger-Werden der Angstkreise, die sich bis zur tödlichen Erstickung zusammenziehen, machen die Novelle Zweigs aus.

Allein es ist nicht die Innenschau, nicht das Seelendrama, das im Fokus der Salzburger Deutung (Text: Koen Tachelet; Regie: Jossi Wieler) steht: Es ist die bitterböse Beziehungssatire, es sind die Bilder einer Ehe mit den Stilmitteln der Ironie erträglich, lach-bar gemacht. Distanz entsteht auch, wenn die Figuren zwischen der Erzählprosa und direktem Dialog wechseln in diesem ästhetischen hellen Versuchslabor, das Bühnenbildnerin Anja Rabes intelligent, kreativ und doch einfach konstruiert hat: ein weißer Quader, glatt, mit Öffnungen, kontrastiert von einem Labyrinth niedriger schwarzer Geländer, dient als Spielfläche der merkwürdigen Laborfiguren.

Die Frau, Irene (großartig facettenreich: Elsie de Brauw), ein seltsam unausgegorener Charakter zwischen Desperate Housewives und Bonjour Tristesse, zwischen unreifem Teenager und Prinzessin im Elfenbeinturm, wird nur selten Identifikationsobjekt. Ist ein solches Frauenbild heute noch vertretbar? Kopfschüttelndes Schmunzeln und Grinsen über ihre Ideen und Albernheiten überwiegen das Mitgefühl für dies zappelnde hysterische Etwas, das in seiner geregelten Welt nicht weiß, wohin mit sich.

Der Mann, Fritz (mit wunderbar sensiblen Nuancen: André Jung), als Gegenpol, fast mehr Vater als Gatte in seiner geistigen Überlegenheit, in seiner Ruhe und Korrektheit, seiner Zärtlichkeit und Kontrolle.

Schon die Konstellation der beiden Charaktere deutet auf festgefahrene Rollen, auf Bewegungslosigkeit, auf die von Irene beklagte „windstille Existenz“ in „zwölf Jahren behaglichen stillpendelnden Glücks“. Ein Bild für die Auslage: Eltern-mit-zwei-Kindern-Idylle. Da bleibt so mancher Lacher ob der Absurdität fast im Halse stecken. Aber nur fast.

Nur wenig Mitgefühl entsteht für die Hauptfiguren, am ehesten noch für den Ehemann, der sich windet und dreht, um das Geständnis aus Irene herauszulocken. Er steht kaum über seiner eigenen Versuchsanordnung, steht eher unter Zwang. Er ist kein Sadist, keiner, der das Spiel genießt. Er ist ein echter Verzweifelter, der seine Liebe retten will, seine Behaglichkeit, sein Bild vom Frieden.

Wunderbar die Nebenfiguren: das Dienstmädchen, erholsam in seiner natürlich empfindsamen Spiegelung der hysteriegetriebenen Affektiertheit Irenes, die Erpresserin, intensiv und bedrohlich in ihrem aufrichtigen sozialen Anspruch (hervorragend sowohl sprachlich als auch spielerisch in der Doppelrolle: Katja Bürkle), der Liebhaber (überzeugend: Stefan  Hunstein), schön und begehrenswert und doch nur eine Randfigur in Irenes Welt, ein „Zuwachs von temperiertem Glück wie ein drittes Kind oder ein Automobil“.

Schließlich die Kinder (sehr präsent: Lena Anderle, Johannes Geller), die im Bild der perfekten Familie eine Hauptrolle spielen, aber von den Eltern kaum individuell wahrgenommen werden. Ein Familienbild aus vergangener Zeit?

Es bleibt ein wenig Ratlosigkeit über den Gehalt des Stückes: Hat das Gezeigte heute noch Relevanz? Ist dieses Beziehungsmodell noch aktuell in unserer Zeit? Ist die Schilderung einer solchen Ehe wirklich das Spannende an der Geschichte Stefan Zweigs?

Jossi Wieler hat sich wohl um Zeitlosigkeit bemüht, aber nicht konsequent genug, nicht radikal genug, um den Staub des vergangenen Jahrhunderts überzeugend zu entfernen. Ein wenig Museumsgeruch bleibt haften: Interessantes, aber nur in Momenten berührendes, intelligent gemachtes, von hervorragenden Schauspielern gespieltes Theater für den Kopf. Wenig Aufrüttelndes, wenig emotional Bewegendes – man hätte die Geschichte auch anders erzählen (oder einfach lesen) können.

Weitere Aufführungen: 30. und 31. Juli, 2., 3., 5., und 6. August. www.salzburgfestiva.at
Bilder: SFS/Arno Declair

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014