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Jeder Nerv glühte in Liebe

FESTSPIELE / LANDESTHEATER / BRANDAUER

30/07/10 Vor tiefblau-violetten Hintergrund und Jugendstil Mobiliar entfaltet sich die dramatische Erzählung von Stefan Zweig auf der Bühne: Wenn Klaus Maria Brandauer liest, gerieren sich Inhalte und Sätze zu temperamentvoll schöpferischen Szenen.

Von Ulrike Guggenberger

„Nicht jetzt, nicht hier!“ In Heidelberg erfüllt sich das offene Ende. Schon während der Anreise aus Frankfurt mit dem Zug, während sie einander liebevoll in die Augen blicken, hat Ludwig den Anfang ihrer beider Geschichte erinnert. Im vorwärts fahrenden Zug wenden sich seine Gedanken nach rückwärts. Neun Jahre mussten sie einander schmerzlich vermissen. „Widerstand der Wirklichkeit“ : Eine mimische Lesung von Klaus Maria Brandauer am Donnerstag (29.7.) im Landestheater.

Ludwig, an bitter ärmliche Verhältnissen gewöhnt, dessen Schultern sich vor jeder Begegnung mit Reichtum bereits im Vorfeld „servil verbeugen“, wird als hochbegabter Chemiker in das Haus eines Fabrikanten als dessen Adlatus aufgenommen.

Subtil und fein versteht es die Frau des Hauses seine Scheu, seine innere Verletztheit aus Jugendtagen aufzulösen. Es ist „Ihr Lächeln, das jedem Ernst seine Schwere nahm.“

Erst als Ludwig aus Firmengründen nach Mexiko abberufen werden soll, wird das Ausmaß ihrer beider bisher uneingestandenen Zuneigung offenbar: „Jeder Nerv glühte in Liebe.“ Sie fanden sich „wie von einem Sturm zusammengerissen“. An dieser Stelle springt Brandauer auf. In diesem Moment i s t er glühende Leidenschaft und Liebe.

Wenn Klaus Maria Brandauer liest, gerieren sich Inhalte und Sätze zu temperamentvoll schöpferischen Szenen. Immer wieder überfällt den Zuhörer das Gefühl, Brandauer würde nicht aus Stefan Zweigs Erzählung lesen, sondern es wären just seine eigenen, soeben in diesem Augenblick geborenen Wortschöpfungen.

Brandauer wird leise, fast verschwörerisch, wenn es um die Gedanken Ludwigs geht, er brüllt und marschiert, wenn Soldaten auftreten.

Mittels kurzer musikalischer Einschübe - Danielle Riegel spielte Benjamin Brittens Suite for Harp op. 83 - unterstützt die Dramaturgie inhaltliche Elemente des Stückes.

Gebannt lässt sich das Publikum ein auf den Erzählfluss einer Geschichte von erfüllter und zugleich nicht erfüllter Liebe, von Zuneigung, die sich auf dem Hintergrund von „Nicht jetzt, nicht hier“ ereignet. Eine Geschichte, die die Vergangenheit in der Gegenwart enthüllt.

Charmant beschließt Brandauer die Lesung – zutreffender die Vorstellung – wenn er die Harfenistin liebevoll um die Taille nimmt und dem Publikum „Gute Nacht und träumen Sie süß“ wünscht.

Das Buch zum Stück
Stefan Zweig: Reise in die Vergangenheit, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2010.
Der ursprüngliche Titel wurde im Manuskript von Stefan Zweig durchgestrichen er notierte darüber „Widerstand und Wirklichkeit“.
Bild: SF / Christof Mattes / novapool

 

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