Buffo-Revue und Bilderflut - die Zweite

FESTSPIELE / IL BARBIERE DI SIVIGLIA 

05/08/22 Es mag Änderungen in Details geben, es wurde natürlich wieder geprobt. Sonst wirkt die Wiederaufnahme von Rossinis Barbiere am 4. August in derselben Besetzung wie am 3. Juni einfach wie eine Vorstellung zwei Monate nach der Premiere. Letztere war ein Triumph. Das Publikum liebt, zum größten Teil, die clowneske Inszenierung von Rolando Villazón und spendet wieder Jubel.

Von Gottfried Franz Kasparek

Mitunter laufen die Gags Gefahr, einander zu überpurzeln, aber sie sorgen für viele spontane Lacher, was heutzutage sogar bei komischen Opern selten geworden ist. Und man darf durchaus über einen wohlbeleibten Darsteller lachen, dem der Stuhl beim Aufstehen am Hintern kleben bleibt – und der das mit drastischer Komik ausspielt. Die folgenden Zeilen gestattet sich der Rezensent aus seinem pfingstlichen Text zu übernehmen, denn sie stimmen einfach: „Die Bühnentechnik, gerahmt von Harald B. Thors spielt alle Stücke, atmosphärisch ein Phantasie-Sevilla mit verschiebbaren Häuserfronten beschwörend. Brigitte Reiffenstuehls Kostüme vermengen im ersten Akt kleidsam und farbenfroh Spanisches mit Mexikanischem, im zweiten befinden wir uns in einer Art Hotellounge aus den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Lichtregie (Stefan Bolliger), Choreographie (Ramses Sigl) und Videokunst (rocafilm) tragen das Ihre dazu bei.“

Die Videokünste sind gottlob nicht mehr geworden und man braucht sie auch nicht immer anzuschauen, wenn vor den schön altmodischen Schwarz-Weiß-Filmchen ein hervorragendes, singschauspielerisch perfektes Ensemble mit echter Italianitá Komödie macht. Man muss auch nicht immer ganz genau dem Orchester zuhören, wenn auf der Bühne dem Affen reichlich jener Zucker gegeben wird, dem Gianluca Capuana mit seiner akkuraten Originalklangformation Les Musiciens du Prince – Monaco eine geistvolle Unterlage gibt. Der Maestro kann auch trefflich mit den Leuten auf der Bühne atmen und bereitet der das Ganze regierenden „Primadonna assoluta“ Cecilia Bartoli einen präzisen, ebenso mitteilsamen wie zuvorkommenden Klangboden.

Die Crescendi reißen freilich eher durch mechanische Motorik als mit beseeltem Brio mit. Andrea del Bianco am Hammerklavier und Francesco Galligioni am Continuo-Cello unterliegen nicht so sehr historisch informierten Pflichten, da die Rezitative ja nicht von Rossini stammen, und nutzen die Freiheit zu wundersamen Ausflügen in die gute alte Filmmusik, was allen Beteiligten Spaß macht, aber den ersten Akt doch sehr in die Länge zieht.

Cecilia Bartoli, die 1987 als Rosina debütiert hat, beherrscht mit erhabener Stimmtechnik und grandioser singschauspielerischer Begabung die Bühne beziehungsweise den riesigen Vogelkäfig, dem sie immer wieder listig „entflattert“. Nicola Alaimo ist wiederum ein figürlich und stimmlich raumgreifender Tausendsassa Figaro mit saftigem Bariton und riesiger weißer Barbierjacke. Der Möchtegern-Lustgreis Bartolo, dem Alessandro Corbelli seinen chevaleresken Charakterbariton verleiht, kann auch menschlich berühren. Edgardo Rocha ist als temperamentvoller„Latin Lover“ Almaviva in bester Form und ein echter „Tenore di Grazia“. Ildebrando D'Arcangelo gibt den als Nosferatu auftretenden Verleumder Basilio mit Bass-Autorität und skurriler Komik.

Der dazu erfundene Filme machende und stumme Rollen übernehmende Erzkomödiant Arturo Brachetti erfreut ebenso wie José Coca Loca mit famosem Bass als Almavivas indigener Diener Fiorillo. Rebeca Olvera kämpft als Berta wieder mit Niesreiz und gestaltet ihr Couplet im zweiten Akt mit Charme und Pep. Der von Walter Zeh bestens einstudierten Männerabteilung des Philharmonia Chors aus Wien entstammen Max Sahliger, der elegant verschlafene Ambrogio, und Manfred Schwaiger, der stoische Bonze mit Zigarre namens Domenico La Forza. Resümee auch diesmal: Prädikat sehens- und hörenswert.

Weitere Vorstellungen am 8., 11., 14., und 16. August – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF /  Monika Rittershaus