Das Fahrrad der Buhlschaft und Netrebkos rotes Kleid

FESTSPIELE / ARCHIV / DIE AUSSTELLUNG

05/02/24 Das Post Scriptum muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Die Mädchen an der Côte d'azur und auf Ibiza habe er immer schon als reizvoller empfunden als die Salzburger Festspiele, „beim Discodancing sogar in musikalischer Hinsicht“. Das schrieb der aufmüpfige Friedrich Gulda am 27. Juli 1988 ans Festspieldirektorium.

Von Reinhard Kriechbaum

Karajan hätte damals Nikolaus Harnoncourt am liebsten mit einer Bannmeile ums sommerliche Salzburg belegt, Gulda hat aber mit diesem im Rahmen der damaligen Szene der Jugend konzertiert. Die Episode fehlt in keiner Festspiel-Skandalgeschichte. Die Sache endete mit Guldas kurzfristiger Absage dreier Festspielkonzerte: Eines der Fundstücke im wiedereröffneten Festspielarchiv in der Riedenburg. Dieses besteht eben nicht nur aus Schubladen, Ordnern und Regalen, sondern hält auch einen attraktiven Ausstellungsraum bereit, den man künftig an zwei Wochentagen (Dienstag und Donnerstag jeweils 10 bis 16 Uhr) besuchen kann.

Für den Gulda-Brief braucht man nicht geübt im Lesen von Handschriften sein, der Pianist schrieb so gestochen, wie er auf dem Instrument artikulierte. Es wäre übrigens fein zu recherchieren, für wie reizvoll die Mädchen an der Côte d'azur und auf Ibiza den alten Gulda eingeschätzt haben. Da müsste man nachfragen, einige der Damen sollten wohl noch am Leben sein.

Aber das ist nicht erster Punkt für Forschungen, wie sie sich Margarethe Lasinger, die Leiterin des Festspielarchivs, wünscht. Sie betonte bei der Presse-Präsentation der neuen Räumlichkeiten in der Villa mit Adresse Neutorstraße 25, am Eck des Quartiers Riedenburg, dass nun die Voraussetzungen für wissenschaftliche Aufarbeitung günstig seien und man solche auf den Weg bringen wolle.

Im Parterre der Villa ist viel zu sehen. Dokumente, Fotos und Plakate natürlich, aber das allein wäre wohl zu wenig attraktiv für den „Normalverbraucher“. Also hat man auch Dinge aus dem Kostüm- und Requisitenfundus geholt. Da kann man etwa das älteste erhaltene Kostüm überhaupt sehen: 1948 trug es Attila Hörbiger als Jedermann. Davor steht jenes mit Blumen verzierte Fahrrad, mit dem Brigitte Hobmeier 2013 bis 2015 als Buhlschaft dem Jedermann Cornelius Obonya entgegen fuhr.

Grundsätzlich ist die Ausstellung chronologisch gegliedert, aber es finden sich auch nette Zeitsprünge. Da ist beispielsweise jene edle schwarzglitzernde Robe, die Edita Gruberova als Königin der Nacht in der Ponnelle-Inszenierung der Zauberflöte trug, und davor eine Schwimmweste, Ausstattungsstück der Griechischen Passion bei den vorigjährigen Festspielen. Ach ja, das zierliche rote Kleid! Da hat Anna Netrebko mal als Violetta Valéry (La Traviata) hineingepasst.

Der Totenkopf? Der stammt aus einer Produktion von Leoš Janáčeks Oper Aus einemTotenhaus. Und weil man's ja doch so oft braucht gleich noch eine Flasche Universal Effektblut. So etwas steht nicht in Supermarkt-Regalen, nicht mal vor Halloween. Vergleichsweise unverfänglich: eine Packung Memphis-Zigaretten mit Mozart-Konterfei.

Unter den Vitrinen sind Schubladen, aber die sind gut versperrt. Margarethe Lasinger zieht weiße Handschuhe an, wenn sie da hineingreift und Pretiosen heraus holt. Etwa die Gründungsurkunde des nie gebauten Festspielhauses im Schlosspark von Hellbrunn. Vom Salzburger Erzbischof abwärts haben sie viele damals wichtige Menschen unterzeichnet. Oder die Salzburger Dramaturgie des Regisseurs Oscar Fritz Schuh von 1969. Es wurde ja immer schon heftig darüber nachgedacht, wie ideale Salzburger Festspiele aussehen sollten. Und wieder greift Margarethe Lasinger nach einer Mappe und wickelt sorgfältig von Seidenpapier umhüllte Zeichnungen aus: Fritz Wotrubas Entwürfe für König Ödipus. Die allerkostbarsten Archivalien sind freilich in einem Tresor, und der blieb auch beim Pressetermin versperrt. Dort lagern beispielsweise Briefe von Thomas Bernhard und Regiebücher von Max Reinhardt.

Die Villa hat einen lichtdurchfluteten Wintergarten. Dort steht ein langer Tisch, an dem einmal Jedermanns Tischgesellschaft saß. Eine kleine Handbibliothek ist im Wintergarten eingerichtet. Man kann also gut und ausgiebig eintauchen in die Festspielgeschichte.

Die Ausstellung im Festspielarchiv in der Neutorstraße 25 kann man ab 15. Februar jeweils Dienstag und Donnerstag von 10 bis 16 Uhr ohne Voranmeldung besuchen. Von 7. bis 10. Februar sind Tage der offenen Tür – die Archiv-Führungen an diesen Tagen sind freilich schon ausgebucht.
Bilder: dpk-krie
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