Auf in den Westen, Utopia hinterher!

FESTSPIELE / YDP / MISSION DRIFT

21/08/11 Pop heißt: Klare Befindlichkeiten, Headlines frontal mit Musik übergossen. Ich und mein beinah unverrückbar positives Amerikaner-Sein – davon erzählt das New Yorker Bühnenkollektiv „The TEAM“ beim Young Directors Project.

Von Reinhard Kriechbaum

Von einem „Dunst aus Cocktails, Arbeitslosigkeit und Schulden“ ist Joan umgeben – aber unverdrossen glaubt sie trotzdem an ihre Stadt, an ihr Las Vegas. Von diesem Moloch mit beinah zwei Millionen Einwohnern fühlt hingegen Chris sich umzingelt. Sein Haus stand einst irgendwo weit weg vom Stadtrand, in der Wüste. Jetzt, inmitten der Spielcasinos und Hotel-Hochhäuser, macht sich der negroide Cowboy-Indianer sehr eigenartig aus.

Nach Las Vegas hat uns also „The TEAM“ mitgenommen. Der Name der New Yorker Theatertruppe, eine von fünf im Wettbewerb des Young Directors Project bei den Salzburger Festspielen, steht für „Theater oft the Emerging American Moment“. Aber nicht nur einen Augenblick des Amerikanertums lässt dieses TEAM (ein echtes Kollektiv, das seine Stücke gemeinsam erarbeitet) im Stück „Mission Drift“ auftauchen. Auf eine Zeitreise werden wir mitgenommen, die irgendwo in grauen mythischen Urzeiten beginnt, wo die zwei Riesen Love and Wrestling in wüstes Gerangel um die Macht gekommen sind. Der eine schafft unermüdlich, der andere zerstört. Die beiden heißen wirklich so, versichert uns die Erzählerin, „ich erfinde nichts“.

Geerdet wird die Geschichte 1624 in Amsterdam, von wo ein handfestes holländisches Meisje mit Pioniergeist und blonden Zöpfen aufbricht in die Neue Welt. Joris Rapelje („Weißer Abschaum“) heißt ihr Mann – schon wieder wird nichts erfunden! Bald vierhundert Jahre machen sich die beiden, das unsterbliche Allegorie-Pärchen mit beinah un-illusionierbarem Fortschrittglauben, alleweil aufs Neue auf den Weg. Immer weiter ein Stück in den Westen hecheln sie Utopia hinterher, immer wieder erfinden sie ihr künftiges Lebensglück neu. Und ebenso regelmäßig platzt eine Blase, sei es jene mit den Bärenfellen, den Goldnuggets, den Atommeilern oder den auf Kredit finanzierten Eigenheimen. Lauter Seifenblasen, wie sie auf der Börse so voluminös und verführerisch funkelnd aufgeblasen werden.

Eine hübsche kleine Geschichte mit der Tendenz zur epischen Wucherung, ein ewiges Story-Telling vom Aufwachen aus dem amerikanischen Traum und dem peinigend-lustvollen Wieder-Versinken darin. Das hat sein ureigenes Selbstverständnis, seine individuelle Geschichtlichkeit – und seine typische kulturelle Ausformung. Heineken und Amstel aus der Dose, Mineralwasser aus Pet-Flaschen und Pop-Musik in allerlei Schattierungen. Heather Christian hat komponiert, sie singt selbst, sitzt am Klavier und spielt auch herzhaft mit.

„Mission Drift“ ist eigentlich ein Pop-Musical, das ist seine Stärke und Schwäche zugleich. Es wäre ein Leichtes, in eurozentrischer Überheblichkeit den Stab drüber zu brechen. Aber was „The TEAM“ wirklich im kleinen Finger hat, ist Understatement. So unprätentiös und un-intellektuell, manchmal sogar ein wenig salopp gar, kann man hierzulande nicht über die Grundlagen der Kultur und die Lehren aus der Geschichte reden (die man dann eh nicht zieht).

Wie in Cartoons wird die Sache vom „TEAM“ auf den jeweiligen Punkt gebracht. Egal, was die junge Niederländerin in den Koffer packt für die Neue Welt: Zuerst will sie den Schwanz ihres künftigen Begleiters/Gatten/Geschäftspartners sehen. Die Gene sollten stimmen für eine solche Unternehmung. Tatsächlich wird der nicht alternde Mann immer wieder zum Beil greifen und unermüdlich roden, auch noch zwischen der Hochhaus-Kulisse und den Palmen, die mit grünem Glitter behängt sind.

Man kommt mit ganz wenig Ausstattung aus auf der Bühne mit dreiköpfiger Musikergruppe inmitten. Ein kleines Kulissenstück mit aufgemalter Skyline, künstliche Palmen, eine Tür mit Jalousie, Klappsessel, einige wenige Versatzstücke. Eine Jacke, eine Sonnenbrille – schon entstehen andere, jeweils neuere Typen und bleiben doch die alten Figuren. Das ist meist mit leichter Hand arrangiert. Szenenwechsel, indem einfach einer auf dem Absatz kehrt macht. Die Musik verbindet und vertieft.

Geschichtsstunde mit burleskem Touch oder leichtfüßiges Geplänkel auf dem Tanzboden der Geschichte? So leicht diskreditiert man das nicht als Bühnen-Lollipop, dazu sind die Fragen zu ernst. Und a propos Fragen: Das Ende bleibt ambivalent, es wirkt so, als ob den engagierten Leuten bei ihrer Spurensuche nach dem amerikanischen Traum und seinen Bruchlandungen  ihre Grundsatzfragen selbst unheimlich geworden wären. Wer bringt sich schon gerne selbst um den zurecht gereimten Optimismus?

Aufführungen bis 23. August im republic – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS / Rachel Chavkin