Aufbruch und Abgesang

FESTSPIELE / CAMERATA-ZYKLUS 2

22/08/11 Gastdirigent Kent Nagano und die Camerata Salzburg wurden auch bei ihrem zweiten Konzert im Festspielzyklus bejubelt. Uusammen mit Solistin Tabea Zimmermann.

Von Horst Reischenböck

Zum Auftakt erklang die leider viel zu selten gespielte Serenade Nr. 1 von Johannes Brahms in ihrer orchestralen Endgestalt. Man erinnert sich: Von Jorge Rotter, lange Zeit Leiter einer Dirigentenklasse an der Universität Mozarteum, stammt die rekonstruierte Urfassung als Nonett, die Beethoven und Schubert zum Vorbild hatte.

Es erstaunt immer wieder, wie sich Johannes Brahms in der frühen Serenade D-Dur op. 11  bereits in voller Meisterschaft präsentiert. Nicht nur in der Instrumentierung, sondern vor allem in Hinsicht darauf, wie „fertig“ er schon war: So erscheint etwa das erste unruhige Scherzo als Vorwegnahme des Scherzos im späten zweiten Klavierkonzert - oder der bukolischen Stimmung der zweiten Sinfonie durch das exzellent abgemischt idyllische Holz im Menuetto I. Romantisch kraftvoll pulsierend und dominierend präsentierte sich die Camerata Salzburg auch im Hörnerklang.

Kent Nagano setzte stringent auf das vorgeschriebene Tempo, ließ dann aber auch gefühligen Ritardandi viel Raum zum Ausklingen. Besonders das der Sonatenhauptsatzform folgend zentrale Adagio kostete er mit Hilfe des ihm darin willig folgenden Ensembles formidabel aus. Lediglich dem beschwingt rhythmisch pulsierenden Rondo-Kehraus wäre mehr Temperament nicht schlecht angestanden.

Damit durften sich die Bläser vom Podium verabschieden. Galt doch danach der Einsatz allein dem reichen - wenngleich melancholisch grundierten - Streicherklang. Zunächst in Gestalt der „Lachrymae“ - „Tränen“, Benjamin Brittens Reflexionen über ein Lied seines großen Landsmanns und Vorgängers John Dowland.

Solisten auf der Viola sind - nicht zuletzt ob des beschränkten Repertoire-Angebots - rar: Tabea Zimmermann begeisterte einmal mehr mit ihrer Palette von ausdruckstarken zartesten Tönen bis hin zu kraftvoll gesetzten Akzenten.

Zum Abschluss dann die „Metamorphosen“ von Richard Strauss. Nur eine „Studie für 23 Solostreicher“? Nein, einer, sein gedanklicher Abschied von der Welt, die es für Strauss nicht mehr gab, ein Opus Summum in einem - altersweise bestimmt - neuem Stil. Wie es Hans-Hubert Schönzeler treffend beschrieb: „Zweifellos das größte und längste, gleichzeitig das zwingendste und logischste Adagio seit Bruckner.“

Nagano und die Camerata kosteten die durchscheinenden Passagen ebenso so differenziert und klangsinnlich aus, wie die großen emotionalen Aufschwünge, die sich immer wieder der Resignation entgegenstellen. Bis zur exorbitant spannungsgeladenen Generalpause, von der aus es konsequent zum Eroica-Zitat geht, das bis dahin nur quasi latent anwesend war. „In Memoriam“ schrieb Richard Strauss unter diese Partiturstelle. Packend, atemberaubend. Die lange Stille sagte mehr aus, als der danach lang anhaltende Beifall.

Bild: SFS/Silvia Lelli/Susesch Bayat