Türkenköpfe rollen, Schuhe tanzen

FESTSPIELE / AUSSTELLUNG JAVIER PÉREZ

24/07/12 Oben, im Deckengemälde, geht es den Türken an den Kragen. Was aber hat es mit den 68 Schuhen für eine Bewandtnis, die derzeit im Karl-Böhm-Saal von der Decke baumeln? Es ist eine Kunst-Installation von dem Spanier Javier Pérez.

Johann Michael Rottmayr schuf sein Deckenfresko zu einer Zeit, da von Political correctness noch keine Rede war. Im „Türkenstechen“ stellte man als Reiterspiel nach, dass die Vorstöße der Muselmanen nach Mitteleuropa Geschichte waren und man sich nicht mehr zu Tode fürchten musste vor ihnen. Es ging darum, mit Stangen und Lanzen Türkenköpfe aufzuspießen.

So derb geht es in der Installation „Das Karussell der Zeit“ von Javier Pérez nicht zu. Er bezieht sich auf Bernd Alois Zimmermanns Oper „Die Soldaten“, die heuer in der Felsenreitschule zu sehen ist, in der Regie von Alvis Hermanis und dirigiert von Ingo Metzmacher. Premiere ist am 20. August.

Es sind die Gegensätze, die Widersprüche, die Javier Pérez in seiner künstlerischen Reflexion interessieren – und die er spontan auch in der Annäherung an das Zimmermann’sche Werk assoziiert. Unvoreingenommen, fast unbeeindruckt von der philosophischen Dimension, mit der der Komponist sein Werk stets ausstattete.

In seiner jüngsten Arbeit – es ist ein Auftrag der Festspiele – finden imaginäre Paare zu einem monotonen Tanz der Einsamkeit zusammen. Der wird symbolisiert anhand von 34 Paar Schuhen, die von der Decke des Karl-Böhm-Saales an roten Leinen bis zum imaginären Tanzparkett am Boden des Saales baumeln. Einem überdimensionalen Mobile gleich reagiert der Künstler in der filigranen Konstruktion auf den scheinbar alles übertrumpfenden Prunk- und Repräsentationssaal (die ehemalige fürsterzbischöfliche Winterreitschule).
Javier Pérez wurde 1968 in Bilbao geboren. Er lebt und arbeitet in Barcelona und gilt als einer der bedeutendsten spanischen Künstler der Gegenwart. Sein Werk ist von starker Symbolkraft durchdrungen und reich an Metaphern. 2001 vertrat Javier Pérez sein Heimatland bei der Biennale in Venedig, 2008 stellte er im Guggenheim Museum in Bilbao sein Werk „Màscara de seducciòn“ aus, das für die Sammlung angekauft wurde.

Auch auf der Empore des Karl-Böhm-Saales sowie im Pausenfoyer des Großen Festspielhauses sind Arbeiten von Javier Pérez zu sehen. Das Salzburg-Projekt wurde durch das Engagement von Reinhold Würth möglich. (PSF/dpk-krie)

Die Ausstellung im Karl-Böhm-Saal ist für Festspielbesucher jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn und in den Pausen der Vorstellungen im Haus für Mozart sowie der Felsenreitschule zu besichtigen.
Der Künstler wird von der Mario Mauroner Contemporary Art Salzburg & Vienna vertreten, die heuer nicht nur Kunst in ihren Galerieräumen im Hof der Residenz und am Ignaz-Rieder-Kai 9 präsentiert, sondern auch in neuen, 550 m² großen Gewölberäumen am Waagplatz 1 zwei neuen Werkserien des flämischen Multitalents und Enfant terrible Jan Fabre zeigt. - www.galerie-mam.com
Bild: www.salzburgerfestspiele.at