Meistens schön nebenher

FESTSPIELE / HAGEN QUARTETT, ZÜRCHER BALLETT

29/07/12 Eine Art von Crossover versuchten die Festspiele in der Felsenreitschule, Kammermusik und Tanz zusammengespannt, in Zürich schon einmal ausprobiert. Heinz Spoerli choreographierte für das Zürcher Ballett  Streichquartette von Jana?ek, Dvo?ák und Schubert. Es musizierte das Hagen Quartett.

Von Christiane Keckeis

Ein Mann. Eine Frau. Das Paar. Irritationen im Umfeld. Eine Geschichte, Spoerlis Geschichte zu Jana?eks Streichquartett „Intime Briefe“. Getanzt von engagierten bis hervorragenden Tänzern und Tänzerinnen, ästhetisch sauber, technisch nah an der Perfektion, viel klassische Spitze, modern versetzt. Und doch hält sich ein Gefühl des Unbehagens, des Nicht-Betroffenseins, der Ferne – und der Wunsch, die Augen zu schließen und den Bildern nachzuspüren, die das Hagen Quartett im Orchestergraben entwirft. Es sind starke Bilder, ausgefeilt in jeder Nuance.

Dagegen wirkt das, was auf der Bühne entworfen wird, ein wenig belanglos, auch willkürlich, da die Choreographie sich weniger an Dynamik und Rhythmus orientiert als vielleicht an der Spannung. Und es stellt sich die Frage, ob die getanzte Geschichte wirklich an Jana?eks Musik gebunden ist, an die detailreiche, spannende Interpretation der Hagens, oder ob sie nicht auch autonom, musikfrei oder auch mit einer anderen musikalischen Untermalung gut denkbar wäre.

Mehr Nebeneinander als Miteinander beherrschte auch das „amerikanische Quartett“ von Dvorak, das auf der Bühne mit pittoresker Lebensfreude beginnt, erfreulich anzuschauen, sehr dekorativ und von den Tänzern und Tänzerinnen lebendig und mit Präzision umgesetzt. Und doch: Da wären die Feinheiten, die das Quartett setzt, Impulse, Steigerungen, Infragestellungen, Überraschungsmomente, Atempausen. Diese spezielle Interpretationskunst des Hagen Quartetts, wo jede Phrase hinterfragt wird, nichts nur so um der Schönheit willen dahingespielt wird, wo jede Note Bedeutung hat, findet oft wenig Widerhall in der Interpretation Spoerlis. So manches, was die Musiker ebenso sorgfältig wie berührend herausarbeiten, wird auf der Bühne schön, aber unbefriedigend glatt gebügelt. Eine gelungene Ausnahme bot der Pas de deux zu Dvo?áks zweitem, dem langsamen Satz: Sensibel und voller Spannung schien das Paar sich mit der Musik aus dem „Quartettgraben“ zu verbinden – und in der Symbiose von Bewegung und Musik entstand endlich der Zauber, der von stimmigem Miteinander auszugehen vermag.

Solch intime Momente der Verbindung von Tanz und Musik gelangen vermehrt in Schuberts Quartett „Das Tod und das Mädchen“, einem mehr als bekannten Stück, das deshalb umso mehr in Gefahr ist, ungefragt musiziert zu werden. Doch mit welcher Intensität, mit welchem Bewusstsein, wie gefühl-voll, aber keineswegs sentimental, wie existenziell betroffen, aber nicht dramatisierend, wie stark leben die Musiker Schuberts Musik! Starke fesselnde Bilder entstehen auch auf der Bühne, hier gelingt der synästhetische Ansatz des gegenseitigen Weiterführens durch die ruhige Darstellungskraft und die punktgenaue Körperbeherrschung des Paares, des Todes und des Mädchens, die die ersten beiden Sätze dominieren. Spoerli schafft in seiner Deutung auch beeindruckende Szenen für die verschiedensten Ensembleformationen, hier um einiges stimmiger als in den ersten beiden Quartetten, so dass der vorherige Unmut doch einigermaßen versöhnt wird.

Dem Publikum gefiel es, es feierte die Tänzer und Tänzerinnen, besonders aber das Hagen Quartett, zu dessen herrlichem Musizieren wohl noch einiges zu schreiben gewesen wäre. Den Programmverantwortlichen ins Stammbuch: Die Hagens sind zu schade für eine simple Begleitmusik – bei solchen Projekten etwas mehr Sorgfalt bitte.

Wiederholung heute Sonntag (29.7.) um 15 Uhr in der Felsenreitschule
Bild: SF / Wolfgang Lienbacher