Ein Humanist durch und durch

IM PORTRÄT / DANIEL BARENBOIM

02/08/12 Neun Jahre war er alt, als er zum ersten Mal nach Salzburg gekommen ist, erzählt Daniel Barenboim. Das war vor genau sechzig Jahren, in einem Sommerakademie-Konzert trat er damals als Klaviersolist auf. Heute Donnerstag (2.8.) spielt er mit dem West-Eastern Divan Orchestra Beethovens „Fünfte“ und „Sechste“.

„Beethoven war immer der Kern“, so Barenboim, aber seit drei Jahren führt das West Eastern-Divan Orchestra die neun Symphgonien zyklisch auf, 2010 in Buenos Aires, 2011 in Korea und Japan sowie in Köln, heuer im Jänner in New York und eben erst bei den Proms in London. Das, so erklärt er, sei auch der Grund, weswegen sich die Besetzung im Orchester, zu dem zu jeweils vierzig Prozent israelische und arabische Musiker sitzen, sehr stabil geblieben ist.

Und dies wiederum ist der Grund, dass Barenboim gerade eine „Orchesterakademie“ in Berlin für weitere Musiker aus dem Nahen Osten einrichtet. 2015 soll es so weit sein, das Gebäude hat man schon zu symbolischem Preis der Stadt Berlin abgekauft, ein amerikanischer Architekt plant einen Kammermusiksaal dort. „Und auch der bereits existierende musikalische Kindergarten, den ich in Berlin gegründet habe, wird dort unterkommen.“

Daniel Barenboim ist eben ein Humanist durch und durch. Das gilt nicht nur für sein Engagement in Sachen West-Eastern Divan Orchestra. „Die musikalische Erziehung ist arm geworden, für Musiker ebenso wie fürs Publikum“, stellt er fest. Es sei erstaunlich, dass so viele Leute – obwohl ohne Vorbildung – in die Oper und ins Konzert gingen. Und die jungen Musiker würden immer mehr in die Spezialisierung gedrängt: „Spezialist ist einer, der mehr und mehr weiß über weniger und weniger!“

altBeethovens „Fünfte“ und „Sechste“, die heute Donnerstag (2.8.) im Großen Festspielhaus auf dem Programm stehen, hat das West-Eastern Divan Orchestra auch schon im Vatikan hören lassen. Dass Mitglieder aller drei monotheistischen Religionen in diesem Ensemble zusammenwirken, hebt Daniel Barenboim besonders hervor.

Bei den Festspielen wird Barenboim am 15., 20. und 24. August einen Schubert-Zyklus spielen, jeweils eine der posthumen Sonaten, kombiniert unter anderem mit Impromptus. Auch ein alter Meister kann noch Musik entdecken. „Bei der Vorbereitung der Sonaten-Trias, die ich noch nie zyklisch gespielt habe, habe ich auch in die anderen Sonaten Schuberts geschaut“, berichtete er in einem Pressegespräch. „In zwei Jahren werde ich den gesamten Sonaten-Zyklus von Schubert spielen.“ Wie viele Abende das werden, weiß er noch nicht, „das hängt von meinen Kapazitäten und der Ihren als Hörer ab“.

Vor sechzig Jahren ist Barenboim das erste Mal in Salzburg gewesen. Begegnungen mit Furtwängler oder Edwin Fischer hätten ihn mit geprägt, sagt er. 1952 spielte er im Abschlusskonzert von Igor Markevitchs Dirigierklasse auf der Sommerakademie das d-Moll-Konzert von Brahms. Sein eigentliches Salzburg-Debüt war ein paar Tage zuvor bei den Schlosskonzerten.

Bei den Festspielen debutierte Barenboim 1965, als Solist in einem Mozart-Klavierkonzert unter Zubin Mehta. 53 Festspiel-Auftritte waren es bisher. Mozarts „Don Giovanni“ und Tschaikowskiys „Eugen Onegin waren szenische Produktionen, die er dirigierte.

Zum Salzburg-Jubiläum ist Barenboim ein weiteres Mal eingeladen, gegen Festspielende: Am 1. September dirigiert er am Pult von Chor und Orchester der Mailänder Scala das Verdi-Requiem.

Daniel Barenboim dirigiert heute Donnerstag (2.8.) um 20 Uhr im Großen Festspielhaus Beethovens Symphonien Nr. 5 und 6 (mit dem West-Eastern Divan Orchestra). Schuberts späte Klaviersonaten spielt er am 15., 20. und 24. August, jeweils um 21 Uhr im großen Festspielhaus. Verdis Missa da Requiem ist dort am 1. September um 11 Uhr zu hören (mit Orchestra e Coro del teatro alla Scala) - www.salzburgerfestspiele.at/konzert
Bild: www.west-eastern-divan.org / Monika Rittershaus (1); Luis Castilla (1)
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