Mit der Raffinesse des Intimen

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT PINCHAS ZUKERMAN

05/08/12 Was Pinchas Zukerman (Violine) und Angela Cheng (Klavier) für das Solistenkonzert am Freitag (3.8.) auswählten war dazu angetan, auf den Wagen der Entschleunigung aufzuspringen und sich auf sanften Flügeln der Romantik wegtragen zu lassen. In ein Land, das den Namen jener komponierenden Theresa trug, die das zweite Zugabenstück beisteuerte: Paradi(e)s.

Von Hans Gärtner

Auf Zartheit und mädchenhafte Scheu betten Zukerman und Cheng die drei Romanzen Robert Schumanns in der Fassung für Violine und Klavier. Sie halten sich punktgenau an die Forderungen „Nicht zu schnell“ (mit weinerlichem Unterton), „Einfach innig“  (volksliedhaft, mit gebremst energischem Mittelteil) und „Nicht schnell“. Mit ernster Attitüde, ohne eine Spur von Euphorie, läuft César Francks Sonate in A-Dur an. Im Allegro-Satz übernimmt das Klavier, die Geige kommentiert – aber eher als schüchternes Anfragen als im beherzten Widerpart. Fast verbissen streicht Zukerman sich in eisige Sphären. Chen hat dann Mühe, den waghalsigen Eskapaden ihres Partners zu folgen, unterstreicht sie aber dann so zupackend, dass es – ungebührlichen – Zwischenapplaus gibt. Zukerman stimmt sein Instrument neu, um in größtes Einverständnis bei der Fantasia einzutreten, der beide Künstler filigrane Fäden einspinnen. Chen gleitet elfenhaft über die Tasten, berührt sie locker, forciert nie, wartet ihre Chancen klug und geduldig ab, bis sie wieder in die Vollen geht.

Ausuferung und Leidenschaftlichkeit ist Zukermans Sache nicht, wären auch weder für den wunderbaren César Franck noch für die Brahms-Sonate nach der Pause angebracht gewesen. Überhaupt: Beide Künstler sind bestrebt, den Zuckerguss von den Petit Fours deutscher Romantik abzukratzen. Dem von Brahms (für Schumanns und Albert Dietrichs „F. A. E.-Sonate“ von 1853) beigesteuerte Scherzo c-Moll zieht das Duo nichts von seinem jugendlich Trotz ab. Zukerman lässt den Bogen fliegen, Chen zeigt, beinahe polternd, Einverständnis.  Schon das Acht-Minuten-Stück lässt die Raffinesse des Intimen vermuten, was dem Komponisten 35 Jahre später zum Leitprinzip in seiner viersätzigen Sonate Nr. 3 d-Moll werden sollte. Im einleitenden Allegro-Satz gibt Brahms, der Pianist, den Ausschlag. Zukerman ordnet sich verschämt unter, kehrt für Momente in den weinerlichen Tonfall der ersten Schumann-Romanze zurück, verfällt in – keineswegs ermüdende – Niedergeschlagenheit, die auch Chens heitere Zwischenrufe nicht aufzuhellen vermögen. Gedämpft singt Zukerman sein „traurig Lied“ weiter – ob nun als echte oder nur „gespielte“ Gemütseintrübung.

Die Zuhörenden hatten weder Grund noch Gelegenheit, aus dieser gedeckten Stimmung auszusteigen: ein diszipliniertes Publikum, hüstel-frei und räusper-fern. Mag sein, dass es letztlich doch ein wenig der zauberhaft-verinnerlichenden Tristesse des meisterhaft Gebotenen erlag. Angela Chen guckt zwischendurch verzückt vom Notenblatt auf, während Zukerman konstant den Blick nach unten richtet, als ob er, statt aufs Blatt zu spähen, vom Fußboden seine Aufgabe abzulesen gedenkt.

Als hätten beide Künstler beschlossen, in Salzburg jeglichem Pathos abzuschwören, lockern sie ihren Zweistunden-Auftritt (mit dem ausgiebigen Fianlsatz von Beethovens „Frühlingssonate“ als Zugabe) am Ende nochmal auf, auch wenn es auf Kosten der bis dahin strikt gehaltenen Präzision des 64-jährigen israelischen Stargeigers geht. Für ihn und seine kanadische Begleiterin am Flügel gibt der musikalische Impetus den Ausschlag für ein – sehr dankbar angenommenes – Konzert-Geschenk.

Bild: SF / Paul Labelle