Solo pur

FESTSPIELE / SALZBURG CONTEMPORARY 5

08/08/12 Wenn Violine oder Viola oder Violoncello die Ohren allein für sich beanspruchen, wenn Solisten wie Thomas Zehetmaier, Ruth Killius und Thomas Demenga die Bühne betreten und wenn dazu neben Johann Sebastian Bach Bernd Alois Zimmermann und Giacinto Scelsi auf dem Programm stehen, dann verspricht das ein interessanter Abend zu werden: Salzburg contemporary 5.

Von Christiane Keckeis

altVirtuos und mit ruhig bestimmter Bühnenpräsenz beginnt Thomas Zehetmair mit Zimmermanns dreisätziger Solosonate „Hommage an Bach“, in der gehaltenen Spannung atemberaubend zelebriert er das der Zwölftontechnik nahe Werk, technisch souverän, im Ausdruck intensiv und spannend, furios im Schlusssatz, einer wild-aggressiven Toccata, die vor Doppelgriffen strotzt: beindruckend, und doch ein wenig kühl, kopfig, kalkuliert.

Zehetmairs Interpretation der Bachschen  Solosonate C-Dur wirkt eigenwillig, fast fremd, erstaunlich modern: Ist das Bach? Im Adagio zerlegt er die Akkorde, ohne dynamische Differenzierung, sie wirken wie ruhig gleichmäßíge, nicht minder harte Schläge: quälend, auch weil es mehr ein Stocken und Stehen ist als ein ansatzweiser Fluss der Musik. Dass Bach auch für einen zweifellos souveränen Techniker seine Tücken behält, zeigt die Fuge, die im schweren Tempo mit wohl bewusst steifem Bogen phasenweise mit Etüdencharakter daherkommt. Zehetmair phrasiert eher moderat mit sehr gleichmäßigem Atem, auch im Allegro assai des letzten Satzes, den er mit stupend schnellen Fingern und nun auch im Fluss als virtuoses Meisterstück beendet.

Eine durchaus andere künstlerische Sprache sucht die Bratschistin Ruth Killius, die schon nach den ersten Tönen von Zimmermanns fordernder Solosonate für Viola jeden Bratscherwitz ad absurdum führt mit ihrer vitalen Musikalität und Ausdruckskraft. Zimmermann verband, von Killius deutlich hörbar gemacht, die Zwölftonreihe mit dem Choralthema „Gelobet seist Du Jesu Christ“, er verstand das Werk auch als Meditation über den Choraltext. Ruth Killius füllt die Gedanken mit Farben und lässt Bilder entstehen.

Stärker noch gelingt ihr das in Giacinto Scelsis „Manto“. In tranceartigem Schwingen, ganz erdig und doch geistig, lässt die Viola hinter geschlossenem Auge das Bild der hellsichtigen Tochter des blinden Sehers Teiresias entstehen, nach der das Werk benannt ist. Mystische, geheimnisvolle Farben verknüpft mit intensiver Energie machen die Spannung von Killius’ Interpretation aus. Ganz und gar organisch wird das, wenn sie am Schluss dazu auch die Stimme des Orakels in erdgebundenem Gesang tönen lässt: stark und berührend.

Schließlich bekommt auch das Violoncello seinen Auftritt, Thomas Demenga musiziert hinreißend Bachs 6. Cello-Suite – natürlich auf einem barocken Instrument. Lebendig, der Suite gemäß tänzerisch, ausdrucksvoll deutet er seinen Bach - und mutig! Keinerlei Zugeständnis an Tempo und Phrasenbildung, er riskiert in der Konzertsituation alles und gewinnt. Die Courante eilt ebenso virtuos wie sprechend dahin, die Sarabande berührt in Klang und Farbe, und die Gavotte erst: Da wird ein ganzer fröhlicher Barockmarkt sichtbar mit tanzenden Menschen, die weniger fein als lebenssprühend sind. Ein Genuss.

In der abschließenden Cello-Solosonate lässt Bernd Alois Zimmermann den Musiker alle Möglichkeiten ausschöpfen, die das Instrument einem in Musik denkenden Virtuosen an technischer Herausforderung und klanglichen Facetten bietet. Da ist Thomas Demenga in seinem Element. Ein Tausendsassa – so wechselt er zwischen blasenverdächtigen Pizzikati und rhythmisierendem Bogen, zwischen nicht mehr zu verfolgenden schnellen Fingern, zwischen Klangfarben aller Arten und tiefer Emotion. Das Publikum war nach dem fast einstündigen Kraftakt restlos begeistert.

Bilder: SF /Silvia Lelli