Zufriedenheit im Kasperltheater

FESTSPIELE / DER BAUER ALS MILLIONÄR

08/08/12 Im Programmheft bedanken sich die Leute der Nürnberger Puppenspiel-Truppe „Thalias Kompagnons“ beim Autor Fitzgerald Kusz „für fränkische Waldbauern-Seufzer“. Für die Puppenspiel-Version von Ferdinand Raimunds „Der Bauer als Millionär“ haben die Festspiele im Schauspielhaus Salzburg Quartier genommen.

Von Reinhard Kriechbaum

Es sind nicht nur Seufzer, es ist eine beinah komplette Sprachübersiedlung von einem Idiom ins andere. Nur Lorenz, einst Hirte der einen Kuh des armen Bauern Fortunatus Wurzel, scheint dialektmäßig in Wien ein wenig verdorben worden zu sein. Er als einziger weit und breit redet noch so, wie Ferdinand Raimund – nach hierzulande verbreiteter Ansicht – der Schnabel gewachsen ist.

Diese sprachliche Ver-Rückung ist ein so wichtiger wie liebenswürdiger Eingriff in den Text von Raimund. Wien hat dessen “Romantisches Original-Zaubermärchen“ ja bestenfalls gepachtet. Man kann und soll keine Lizenzgebühren drauf einheben wie die Schöpfer von Broadway-Musicals. „Der Bauer als Millionär“ ist nun eben im Frankenländle gelandet, und die Geisterschar, die der Fee Lakrimosa und ihrer unehelichen und unstandesgemäßen Tochter Lottchen zu Hilfe kommt, ist eine witzige Gesellschaft aus Deutschland-Touristen. Der leicht chaotische Zauberer Ajaxerle schwäbelt herzhaft.

„Zauberflöte“, „Das Labyrinth“, und nun Raimunds Stück – das sind Stoffe aus ähnlichen Fäden, Verwebung von derb-launigem Volksstück, Zeitgeist (im Fall Raimund Biedermeier statt Aufklärung oder Freimaurerei) und Gesellschaftssatire. Das ist bekanntlich in der Mischung schwer in den Griff zu kriegen. Wer auf Komik setzt, hat generell bessere Karten als jene, die es mit intellektueller Verbrämung versuchen. Das Zweipersonen-Unternehmen „Thalias Kompagnons“ (Joachim Torbahn, Tristan Vogt), das auch mit einer „Zauberflöte“ höchst erfolgreich durch die Welt zieht, mischt die Karten zu seinem Vorteil, sprich: Man setzt bei dieser so rasanten wie poetisch-kreativen Puppen-Version auf volkstümlichen Spaß, auf liebenswürdigen Slapstick. Wenn  man es so sagen will: auf Überrumpelungs-Humor.

Wir haben es mit prallem Volkstheater zu tun, die Geschichte wird mehr erzählt als ausgedeutet. Das läuft sehr geradlinig, niemand wird gedanklich überstrapaziert. Aber das Stück ist mit so viel Mutterwitz und Sinn für ironische Brechung auf die Bühne gebracht, dass man sich auch nicht derb auf die Schenkel klopft vor Begeisterung. Nur ein klein wenig schämt man sich, dass es einem so gut gefällt.

Ein kleines Wunderwerk der Technik steht am Bühnenrand: In eine Art Schiebekasten werden die gemalten „Bühnenbilder“ waagrecht hinein geschoben, die Handpuppen werden ebenfalls waagrecht gehalten und das Ganze von oben mit Videokamera gefilmt und auf einen größeren Vorhang in Bühnenmitte projiziert. Drumherum – davor, dahinter, auch damit – wird bühnen-gezaubert, was die optische Physik hergibt. Da tauchen Figuren (größere Handpuppen) auf und verschwinden, Projektion und Lifespiel machen eine Durchdringung von Feen-, Geister- und Menschenwelt möglich.

Übrigens: Ausgerechnet die Figur der Zufriedenheit logiert in einem echten Kasperltheater, woraus man durchaus Schlüsse ziehen sollte. Aufgerieben zwischen den allegorischen Herren Hass und Neid und im Getümmel des Zaubervolkes ist Misstrauen gegenüber der hehren Lebensweisheit der Zufriedenheit durchaus angebracht. Man frage besser nicht, wie es in ihrem Inneren aussieht!

Die vier Puppenspieler sind schwarz gekleidet und haben kleine Feder-Flügelchen am Rücken – also echte Puppen-Genien! Die leihen den vielen Zauberern, Geistern und Menschen ihre Stimmen, sie machen das gewandt und mit Mutterwitz. Auch gesungen wird gelegentlich, zur Begleitung von Klavier und Schlagzeug. Das Hobellied klingt, als ob Arvo Pärt es in eine Modellkomposition der Postmoderne verwandelt hätte. Es geht turbulent zu, und allein die Synchronisation nötigt größten Respekt ab. Schließlich sind die Vier ja auch ihre eigenen Requisiteure, Mini-Kulissenschieber, und einer muss sich sogar als Bühnenbild-Maler auf einer Glasplatte betätigen.

„Der Bauer als Millionär“ läuft in dieser Version ziemlich geradlinig auf die schlichte Botschaft „arm aber glücklich“ hinaus, aber wie sie überbracht wird, hat immens viel Charme. Darf man verraten, dass der der bettelarme Fischer Karl, glücklicher Bräutigam der Halb-Fee Lottchen, am Ende mit einer gezeichneten Fischkonservenfabrik und einem Haufen aufs Bühnenbild gestreuter Goldfischli belohnt wird? Ja, darf man, weil es gibt schließlich anderthalb Stunden Bühnenzauber und Überraschungen sonder Zahl, die man ohnedies nicht alle aufzählen kann.

Aufführungen bis 17. August im Schauspielhaus Salzburg - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SF / Silvia Lelli