Gegenseitig der Wirkung beraubt

FESTSPIELE / LIEDER- UND REZITATIONSABEND / VOLLE - QUASTHOFF

19/08/12 Ein brillanter Event und noch ein brillanter Event: Das muss nicht automatisch einen Überevent ergeben. Die Ereignisse können sich in ihrer Wirkung auch neutralisieren. Das Ergebnis ist dann tendenziell Spannungslosigkeit, wie beim gemeinsamen Abend von Michael Volle und Thomas Quasthoff.

Von Heidemarie Klabacher

altAuf dem Programm stand am Samstag (18.8.) im Haus für Mozart "Die schöne Magelone", 15 Romanzen nach Gedichten von Ludwig Tieck op. 33 von Johannes Brahms: Das ist die Vertonung jener Gedichte, die Ludwig Tieck in seine "Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence" eingestreut hat.

Umständlich wie der Titel ist die Geschichte. Es verlieben sich in einander der edle Ritter - Graf Peter von Provence – und die tugendhafte Prinzessin - Magelone, Tochter des Königs von Neapel. Diese ist aus Staatsräson längst einem anderen versprochen. Die Liebenden fliehen und werden auf der Flucht durch widrige Umstände getrennt: Ein Rabe raubt Magelones Ringe, Unterpfand der Liebe. Peter will sie zurückholen. Der Rabe fliegt auf’s Meer hinaus. Peter wird vom Sturm verblasen, von maurischen Seeräubern gefangen genommen und an den Hof des Sultans von Babylon als Sklave verkauft – allwo die dortige Prinzessin sich ihrerseits in den blonden Knaben verliebt…

Die Geschichte von Ludwig Tieck basiert auf einem alten französischen Stoff und geht gut aus. Immer wieder heben die Protagonisten an zu singen, reflektieren sich und ihre Gefühle in Gedichten, wie „Liebe kam aus fernen Landen“ oder „Wir müssen uns trennen“. 15 der insgesamt 18 Gedichte hat Johannes Brahms vertont, eben in den „Romanzen op. 33“.

Michael Volle und Thomas Quasthoff haben also gemeinsam einen Märchenabend gestaltet im Haus für Mozart: Thomas Quasthoff, der aus gesundheitlichen Gründen im Jänner dieses Jahres seine Sängerlaufbahn beendet hat, las die Geschichte in einer Fassung von Brigitte Fassbaender. Der Bariton Michael Volle sang die eingestreuten Lieder, begleitet von Helmut Deutsch am Klavier.

Nichts gegen Tieck (das ist der mit den Shakespeare-Übersetzungen)! Sein Schauermärchen „Der blonde Eckbert“ etwa ist enorm spannend. Aber die gemütvolle Magelone-Erzählung in ihren vorhersehbaren Wendungen und gängigen Motiven ist echt kein Reißer. Nur einem Thomas Quasthoff, der mit seiner reich timbrierten Sprechstimme auch eine Lesung aus dem Telefonbuch spannend zu gestalten wüsste, nimmt man die Geschichte überhaupt ab.

Immer wenn die Gefühle mit den Protagonisten durchgehen, singen sie „folgendes Lied“… Der Reiz nutzte sich alsbald ab. Und, was schwerer wiegt: In den Sog eines Liederabends konnte man wegen der langen Textpassagen zwischen den Liedern als Zuhörer auch nicht so recht hineinkommen.

Der Bariton Michael Volle ist ein technisch perfekter, gestalterisch versierter Liedsänger, Helmut Deutsch einer der besten Begleiter der Welt. Leider mussten die Musiker quasi mit jeder Nummer von vorne anfangen, Spannung aufzubauen. Es entwickelte sich kein musikalischer Sog. Hervorragende Rezitation und hervorragender Liedgesang haben einander schlicht und einfach „gestört“.

Bilder: SF / Wolfgang Lienbacher