Rasch auseinandergelebt

HINTERGRUND / FESTSPIELE

05/06/13 Ab Herbst 2015 wird Alexander Pereira nun also tatsächlich Chef der Mailänder Scala. Bürgermeister Heinz Schaden ist derzeit als Buhmann kontra Pereira gut aufgestellt und hängt sich im Schloss Mirabell wieder ganz weit aus dem Bürofenster. Mit ihm nicht, ganz sicher nicht!

Von Reinhard Kriechbaum

013Dass da schon wieder ein Intendant für eine andere Institution werkelt, noch bevor seine Vertragszeit in Salzburg ausgelaufen ist – unvorstellbar für den Salzburger Bürgermeister. 2014, na gut. Aber der Sommer 2015 gehe schon nicht mehr, ließ er via APA und ORF noch am Dienstag gegen Abend verlauten.

Vielleicht wäre im Vorfeld der Kuratoriumssitzung am kommenden Dienstag (11.6.) eine allgemeine Beruhigung der Gemüter angeraten. Bevor Kuratoriumsmitglieder medial drauflos trompeten, wäre vielleicht auch Selbstbefragung eine gute Idee. Wie und warum ist Alexander Pereira überhaupt Festspielintendant geworden?

Da saß dieser also als Opern-Entrepreneur in Zürich und lugte sehnsüchtig nach Salzburg. Schon als es galt, Mitte der neunziger Jahre den Vertrag mit Gerard Mortier zu verlängern, war der Name Pereira gefallen. Als Peter Ruzicka (ein sperriger Intellektueller) als Intendant folgte, wäre natürlich auch schon der joviale Alexander Pereira eine Alternative gewesen. Und ebenso, als fünf Jahre später der Chefsessel abermals zu besetzen war. Doch auch gegen die rheinische Frohnatur Jürgen Flimm hatte der Wiener Plauderer kein Leiberl.

Dann freilich wurde es doch ernst: Jürgen Flimm, böser Bube mit neuem Nebenjob Unter den Linden, ward vom Kuratorium in die Berliner Wüste geschickt. Markus Hinterhäuser, für ein Jahr als Interims-Intendant dienstverpflichtet, musste mit ansehen, wie sich ein völlig perspektiveloses, in Inhaltsfragen überfordertes Kuratorium ohne rechte Argumente für jenen entschied, der seit fünfzehn Jahren beharrlich an die Tür klopfte und in Salzburg den Laden am liebsten von heute auf morgen geschupft hätte: Alexander Pereira, der rettende Engel mit den imaginären Goldlamettaflügeln des Schweizer Geldadels!

Was für eine Festspielzukunft sich das Kuratoriums vorstellte (so man sich überhaupt etwas Konkretes ausmalte), was auf der anderen Seite Alexander Pereira für die Festspiele vorschwebte: Das scheint damals nur sehr oberflächlich abgeglichen und schon gar nicht ausformuliert worden zu sein.

014Das böse Erwachen auf beiden Seiten folgte postwendend: Krach um die zeitliche Ausdehnung der Festspiele, Endlos-Diskussionen ums Budget. Pereira und sein Festspielkuratorium hatten sich schon auseinandergelebt, bevor der Intendant überhaupt sein Amt angetreten hatte. Die Dialogbasis ist seither nicht breiter, eher schmäler geworden. Vor allem Heinz Schaden hat sich als Anti-Pereira-Polterer profiliert. So, als ob er gar nicht dabei gewesen wäre, als man ihn nach Salzburg holte.

Pereira hat sich nichts zuschulden kommen lassen, sondern genau jene Festspiele gemacht, die ihm zuzutrauen waren. Er steht für einen, wenn man will, „alten“ Festspielbegriff: das Locken mit großen Namen, Moderne eher nolens volens als Feigenblatt, möglichst so, dass sie den Verkauf nicht behindert. Programmatische, sich durch die Festspiel-Wochen ziehende Inhalte werden bestenfalls subkutan verabreicht – ebenfalls um potentielles Publikum nicht zu verschrecken. Dafür eine Ausweitung des Programm- und Kartenangebots, verbunden mit zeitlicher Ausweitung: Eine gute Wirtschaft muss immer zulegen, sie muss Jahr für Jahr um ein paar Prozent wachsen. Diese Lektion hat Alexander Pereira in der Geldmetropole Zürich verinnerlicht, danach lebt und handelt er. Er macht Festspiele, die wachsen, wachsen, wachsen.

Ist es aber das, was Salzburg braucht? Im Kuratorium war – vorerst eher unterschwellig, dann etwas vernehmbarer – in den vergangenen zwei Jahren ein leichtes Umdenken zu bemerken. Manchem Mitglied in diesem Kontroll-Gremium hat offenbar leise gedämmert, dass die Option, immer ausreichend Karten für mächtig aufgeplusterte Festspiele im Ticketbüro vorrätig zu haben, keine gar so gute Botschaft an die Öffentlichkeit und schon gar keine Basis für Festspiele mit einem exklusiven Anspruch sind. Von künstlerischem Profil, von anzustrebender Einzigartigkeit reden wir da noch gar nicht.

Vielleicht hat Alexander Pereira, der routinierte Impresario, zuletzt wirklich die Welt nicht mehr verstanden. Wahrscheinlich ist er als begnadeter Geldauftreiber im norditalienischen Mailand viel, viel besser aufgehoben als in Salzburg. Man sollte ihn ungehindert ziehen lassen, ihn aber auch nicht vertreiben. Schimpf und Schande hat er nicht verdient.

Ist es unstatthaft, dass Alexander Pereira ab sofort auch für die Scala plant? Da herrscht seit einem Jahrzehnt schon in den Köpfen der Kuratoriumsmitglieder krude Schizophrenie: Dass der jeweils künftige Festspielintendant, wo auch immer er vorher wirkte, in seiner ersten Saison ein fertiges Programm mit genauer Finanzplanung und unterzeichneten Künstlerverträgen in der Tasche hat, gilt als selbstverständlich. Pereira hat selbstverständlich in seinen letzten Jahren in Zürich schon die erste Salzburger Festspielsaison geplant.

Am Ende der Intendanz soll das aber nach Ansicht mancher Kuratoren partout nicht sein. Peter Ruzickas Münchner Biennale-Aktivitäten wurden einst scheel beäugt, Jürgen Flimm sollte seine erste Saison an der Staatsoper Unter den Linden schon nicht von Salzburg planen. Dasselbe gilt offenbar jetzt für Pereira und Mailand. Dass zwei, drei Jahre Vorlaufzeit gerade im Opernbereich international üblich sind, hat sich bis ins Kuratorium (wo man jetzt eben die Festspielsaison 2014 finanziell absegnet!) noch nicht herumgesprochen.

Wenn die Kuratoren eine rigorose und exklusive Salzburg-Dienstverpflichtung für ihren Intendanten wollen, dann müssen sie künftig eine Konkurrenz-Klausel in den Vertrag schreiben. Im Wirtschaftsbereich ist es durchaus üblich, dass man nicht von heute auf morgen zur Konkurrenz wechselt. Aber das kostet. Und ob es für die Festspiele etwas brächte, ist mehr als fraglich.

Bild: dpk-krie
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