Vierzehn Kontrabässe gegen sieben Flöten

FESTSPIELE / SINFÓNICA JUVENIL TERESA CARREÑO DE VENEZUELA

16/07/13 Die Namensgeberin dieses Orchesters, Teresa Carreño, wurde vor 160 Jahren in Caracas geboren. Um die Wende zum 20. Jahrhundert war sie eine gefeierte Pianistin, Sängerin, Dirigentin, Komponistin. Sie wurde die dritte Gattin des französischen Komponisten Eugen d’Albert.

Von Horst Reischenböck

Von Besetzung und Struktur her ähnelt das nach ihr bekannte Jugendorchester jenem Simón Bolívar Youth Orchestra, mit dem Gustavo Dudamel 2011 bei den Festspielen debütierte. Es ist sozusagen die Nachwuchsschmiede für Venezuelas 1975 gegründetes Orquesta Sinfónica Simón Bolívar mit Mitgliedern fortgeschritteneren Alters, das er jetzt hier anführt. Und wie einst Dudamel stammen auch die beiden Nachwuchsdirigenten Christian Vásquez und Diego Matheuz, die sich die Leitung der vier Abendstunden Donnerstag (25. 7.) im Großen Festspielhaus aufteilten, aus „El Sistema“.

Tschaikowski als Rahmen, dazwischen Berlioz, Prokofjew und Bartók: glänzend, grandios, beeindruckend, wie das Teresa Carreño Youth Orchestra dieses – auch als solches so angekündigte – Marathonkonzert absolvierten. Die jungen Leute entledigten sich der Aufgaben unglaublich locker – sind sie doch auch an überlanges Proben gewohnt.

Wird sich das Young Directors Project auf der Pernerinsel heuer u. a. noch „Romeo und Julia“ widmen, so lieferte Christian Vásquez mit Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Fantasie-Ouvertüre nach William Shakespeare dazu eine erste Einstimmung.

Es macht schon staunen, dieser Riesenapparat: Da waren wieder 14 Kontrabässe (so viele waren es auch am Vortag bei Mahlers „Symphonie der Tausend“), denen halb so viele Querflöten Parole bieten müssen. Und doch vermag dieser Riesenklangkörper im perfekten Einklang miteinander nicht bloß fulminant aufzutrumpfen, sondern  er ist auch zu hauchzartem Pianissimo fähig. Grandios schon hier zum Beethovenschen Schicksalsmotiv in der Pauke der abschließend verströmende Gesang der Violinen.

Perfekt auch der Fugato-Einstieg in die Introduction zu Hector Berlioz’ Symphonie dramatique „Romeo et Juliette“ op. 17 H79, der sich darin gut 30 Jahre früher als weit progressiver erwies. De „Grande Fête chez Capulet“ wirkte aber dann doch eine Spur schaumgebremst: der zündend gedacht ununterbrochen pulsierende Rhythmus wollte nicht so ganz vom Fleck kommen, verharrte eher in etwas gespreiztem Habitus. Die Oboistin verdiente mit dem Julia-Thema aber absolutes Sonderlob.

Die zweite „Tranche“ befehligte dann Diego Matheuz, der vorerst, auch von der Körpersprache her, weit tänzerischer auftrumpfte. Kein Wunder, widmete er sich doch Teilen jener drei Suiten, die Sergej Prokofjew aus seinem Ballett „Romeo und Julia“ op. 64 zog. Präzise akzentuiert schon im harten Tanz der Ritter beider verfeindeter Veroneser Familien, furios wirbelnd die Degenszene zwischen Romeo und Tybalt, die in herzzerreißende Klage mündet. Dazwischen zart der leidenschaftlichen Sehnsucht der beiden Liebenden auf der Spur und endlich gipfelnd in der dramatischen Gruftszene. Anlass für erste Standing Ovations.

Béla Bartóks Konzert für Orchester Sz 116 kostete Matheuz dann genauso aus. Seine Stabführung bewirkte geradezu eine Anhäufung instrumentaler Glanzlichter, die er den willig folgenden Mitstreitern am Podium entlockte.

Nach einer weiteren Pause lag dann jenes Werk auf den Pulten, das zum Standardrepertoire der „El Sistema“-Orchester zu gehören scheint, nämlich  Tschaikowskis Vierte Sinfonie in f-Moll op. 36. In ihr zog nochmals Vásquez alle Fäden: vom schmetternden Anfang der acht Hörner über das herrlich differenziert ausgespielte Pizzikato im dritten Satz bis in die blechgepanzert prachtvoll gesteigerte Stretta des Finales hinein. Das wurde einfach fulminant ausgespielt und hat einhellig begeisterte Bravi nach sich gezogen.

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Bilder: SFS/Nohely Oliveros