Jubel - Tendenz steigend

FESTSPIELE / LUCIO SILLA

28/07/13 Fast auf den Tag genau sechs Monate nach der Mozartwoche erklang Mozarts „Lucio Silla“ - klug umgesetzt als ein Fest der Stimmen von Mark Minkowski – als bejubelte Wiederaufnahme bei den Festspielen im Haus für Mozart.

Von Horst Reischenböck

Dank Plutarch (nachzulesen im Programmheft der Festspielproduktion von 1997) ist überliefert, wer, was und wie Lucius Cornelius Sulla Felix tatsächlich war: alles andere, denn tauglich zur Vorlage für einen Helden.

Schon im 18. Jahrhundert ging es genau um das, was heutzutage als „Soap Opera“ in zahllose Folgen verpackt über die Fernsehschirme flimmert: Dem Publikum wurde im Gewand einer Opera seria (Politthriller) ein unterhaltsames Spiel mit Gefühlen, Liebe, Androhung von Tod, Verrat, bis zu Menschenhandel geliefert. Also durchaus modern, auch für unsere Tage, wenn auch Anno dazumal in antike Folie verpackt. Für Librettisten wie Giovanni di Gammera bot das antike Gewand die Möglichkeit, eventuell umstürzlerisch zu deutendes Gedankengut staatspolitisch problemlos zu artikulieren.

So wurde in „Lucio Silla“ KV 135 die Vorwegnahme von Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern, eine fast unverhüllte Erotik oder eine damals mal noch kaum denkbare Lockerheit im Umgang zwischen den sozialen Schichten untergejubelt. All das wurde vom damals erst 16jährigen Wolfgang Amadé Mozart durch die erstaunlich psychologische Umsetzung seiner Musik doppelt geadelt.

Eine traumwandlerisch sichere Ausgangslage also für versierte Sänger, die schon im Jänner dieses Jahres Triumphe feierten – und sich am Samstag (27. 7.) wieder im Haus für Mozart einfanden.

Als Publikumsmagnet fungierte einmal mehr Rolando Villazón, der sich auch andernorts – etwa als Ottavio im „Don Giovanni“ oder Ferrando in „Cosí“ schon als veritabler Mozartinterpret ins Gespräch brachte. So, wie er der Titelfigur Silla Profil verlieh, italienisch gefärbt mit seinem strahlkräftigen Tenor, und durchaus auch die virtuos verzierten Koloraturen meisterte, hätte Wolfgang sicher seine Freude gehabt -  und ihm mehr Arien komponiert.

Mark Minkowskis Idee war es, als „Ersatz“ für mehr Arien des Titelhelden – und um letztlich Sillas Sinneswandel zu erklären - Johann Christian Bachs Gegenstück einzubauen. Durchaus legitim, denn selbst nach Mozarts Tod wurden seine Werke jeweiligem Geschmack entsprechend adaptiert. Ganz abgesehen davon, dass Mozart selber ja auch Opern von Kollegen „verbesserte“. Also nochmals ausführlichere Gelegenheit für Villazon zu ausdrucksstarker Gestaltung, der das Damenquartett auf höchstem Niveau befleißigte: Olga Peertyatko als Giunia, grandios bewegt bewegend in ihrer Arie mitten im zweiten Akt vor der Pausenzäsur. Gleichermaßen dramatisch emotional Marianne Crebassas Cecilio und der Lucio Cinna von Inge Kalnas, zärtlich anschmiegsam gestaltete Eva Liebau ihre Celia.

Dazu einmal mehr Salzburgs ausgezeichneter Bachchor, dessen finale Ciaccona optisch fünf Tanzpaare akzentuierten. Eine eigene abschließende Ballettmusik komponieren zu dürfen, wurde Mozart ja erst in München für den „Idomeneo“ zugestanden.

In Antoine Fontaines praktikabel veränderbar Antike andeutender Szenerie die Regie von Marshall Pynkoski, der den  Protagonisten etwa mit zu oftmaligem Heben des rechten Arms über den Kopf hinweg, fast zuviel an Gebärdensprache abverlangte.

Mozart im Originalklang führte schon Nikolaus Harnoncourt vor Ohren. Sein Zugang ist, aus heutiger Sicht, gerade bei einem Werk wie diesem unverzichtbar. An seinen Strichen orientierte sich auch Mark Mikowski, der die Les Musiciens de Louvre Grenoble federnd zu prachtvoll ausformuliert die Vokalisten unterstützendem Spiel animierte. Zusätzliches Plus für einen von Arie zu Arie sich steigernd entsprechend bejubeltem Triumph aller Beteiligten.

Bilder: SFS/Matthias Baus