Der letzte Römer und sein Untergang

FESTSPIELE / RIENZI

12/08/13 „Vertilgt sei diese Stadt!“ Welchen Fluch würde der Bürger Rienzi wohl über die Ewige Stadt zur Zeit des verurteilten „Cavaliere“ schleudern? Rienzis adelige Lieblingsfeinde mit ihren ritterlichen Schlachtrufen sind um 1350 immerhin noch bereit, für ihre Macht zu sterben.

Von Heidemarie Klabacher

180„Rienzi, der letzte der Tribunen“ hatte als zweite Wagneroper im Festspielsommer des Wagner-Jahres 2013 in einer konzertanten Aufführung in der Felsenreitschule Premiere. Man weiß der Festspielleitung dank dafür, dass sie einem diesen „frühen Wagner“, der immerhin Augenblicks- und Akkordweise schon den „späteren“ verheißt, hat vorspielen lassen, man weiß aber auch zu schätzen, dass es nur eine konzertante Aufführung war.

Wogende Massen von Hellebarden und Lanzen und anderem spätritterlichem Kriegsgerät auf dem Forum Romanum wären womöglich die Alternative gewesen. Denn wer weiß, ob die Clanchefs der Colonna und Orsini in der Maske Berlusconis die Rechtsabteilung der Festspiele beschäftigt hätten. Für eine szenische Produktion günstig ausleihen können hätte man sich freilich die Säulen aus der aktuellen „Lucio Silla“-Produktion.

181Aber auch so - aufgefädelt auf Bank- und Sesselreihen – haben die Ausführenden auf der Bühne der Felsenreitschule mit aller Kraft gekämpft und gestritten. Philippe Jordan am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters agierte als oberster Kriegsherr. Die feine Klinge war seine Sache nicht: Er ließ die verfeindeten Parteien munter gegen einander donnern. Jordan schlug die Lehrbücher der Fechtmeister und Ritter-Erzieher in den Wind, setzte auf Lautstärke (wobei der Streicherklang eher matt blieb), führte aber einzelne äußerst effekt- und wirkungsvolle Truppenmanöver an.

Wenn etwa die Orsini und Colonna beginnen, ihre Intrigen gegen den plebejischen Emporkömmling Rienzi zu schmieden, und die adeligen Aufrührer ihr bestätigendes „So sei’s“ schmettern, wächst kein Gras mehr. Überhaupt war das eine packende Szene, in der - endlich spannend, endlich Oper – erste Bilder im Kopf entstehen wollten, von dunklen Gestalten und gefährlich flüsternden Verschwörern. Dirigent Philippe Jordan ließ hier vor allem die Blechbläser dynamisch pointierte Akzente wie Blitze schleudern.

Tatsächlich war die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor der Held dieser Aufführung: Als begeisterte oder aufgewiegelte Volksmasse oder als römische „Nobili“, als Friedensboten oder Mönchschor agierten die Damen und Herren mit größter Homogenität und Transparenz – je nach Erfordernis bei fulminanter Durchschlagskraft oder bewegender Klangschönheit. Von größter Wirksamkeit: die beiden Teil- und Fernchöre, die vom Karl Böhm-Saal aus bei offener Tür in der Felsenreitschule Spährenklänge bewirkt haben.

182Christopher Ventris sang die Titelrolle, den Volkstribunen Cola Rienzi: klangvoll mit souveräner Technik, strahlend, geschmeidig und kraftvoll in allen Lagen und locker noch in den Höhen, aber leider mit starkem englischem Einschlag. Bewegend sang Christopher Ventris das berühmte Gebet „Allmächt’ger Vater, blick herab“, das aber von Philippe Jordan quasi Vers für Vers buchstabiert wurde und daher keine große Linie entwickeln konnte.

Emily Magee sang die Rolle von Rienzis treuer - über eigenes Liebesglück hinaus bis in den Tod - loyaler Schwester Irene: ebenfalls souverän, ein wenig schrill bei geringer Textverständlichkeit. Ebenfalls eher mit Körper- als mit Gestaltungskraft gab Sophie Koch die Mezzo-Partie des Adriano, des jungen römischen Adeligen aus der Familie der Colonna, die zu Rienzis größten Feinden zählt: Adriano liebt Irene, versucht zu vermitteln, wird aber zwischen den Machtsphären zerrieben und geht mit den Geschwistern Rienzi unter.

Sängerische Höhepunkte waren vor allem Georg Zeppenfeld als Steffano Colonna und Martin Ganter als Paolo Orsini zu danken. Luxuriös besetzt mit Benjamin Bernheim und Oliver Zwarg waren die sehr kleinen Partien der römischen Bürger Baroncelli und Cecco del Vecchio. Kiandra Howarth lieh dem Friedensbote ihre schlanke bewegliche Stimme.

„Rienzi, der letzte der Tribunen“ - eine weitere konzertante Aufführung am Mittwoch (14.8.) um 19 Uhr in der Felsenreitschule
Bilder: SFS / Silvia Lelli