Scherz und tiefere Bedeutung

FESTSPIELE / ENSEMBLE-WIENBERLIN

16/08/13 Das „ensemble-wienberlin“, wie es jetzt sprachlich mehr als nur fragwürdig, aber halt internettauglich heißt, ist auch in großteils neuer Besetzung eine allererste Adresse, was das „klassische Bläserquintett“ betrifft. Vor allem auch im Bereich neuerer und neuester Musik.

Von Gottfried Franz Kasparek

Begonnen hat das Konzert am Mittwoch (14.8.) im Mozarteum allerdings mit einer französischen Petitesse. Paul Taffanel, heute vor allem Flöte lernenden Menschen wegen seines Schulwerks ein Begriff, komponierte anno 1876 ein feinsinniges, spätromantisches, melodienseliges Bläserquintett, sozusagen Salonmusik auf höchstem Niveau. Darauf passte Musik von György Ligeti überraschend gut. Denn dessen „Sechs Bagatellen“ aus dem Jahr 1953 sind natürlich schon längst, wie deren Schöpfer, ein Klassiker. „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“ könnte man das kostbare und köstliche Werk auch betiteln, reicht die Spannweite dieser Miniaturen doch vom – pardon, aber so ist es einfach - lapidaren Fagottfurz, der als Paradebeispiel für eindeutigen „Humor in der Musik“ den schmissigen ersten Satz beendet, bis zum ernsthaften, berührenden Totengedenken an Bela Bartók im fünften. Und mit Melodie und Rhythmus hatte Ligeti nie Berührungsängste.

Erstaunlich viel melodische, aber wohl absichtlich banale Floskeln gibt es auch in Harrison Birtwistles „Five Distances for Five Instruments“ aus dem auch schon lange vergangenen Jahr 1992 zu hören. Die fünf Herren müssen am Podium verteilt stehen, um diese von Intellekt bestimmte „selbstreferentielle musikalische Spielerei mit den Traditionen des Ensemblespiels“, wie treffend im Programmheft zu lesen, zu gestalten. Dank der Spielfreude und klanglichen Eleganz der drei „Wiener“ und zwei „Berliner“ wird aus dem kunstgewerblichen „instrumentalen Theater“ des britischen Musikdenkers ein ziemlich vergnügliches Ping-Pong-Spiel, bei dem man auch Assoziationen an die alte, klassische Harmoniemusik haben kann.

Ensemble-Senior Hansjörg Schellenberger ist der einzige „Überlebende“ der Gründergeneration von 1983 und er ist seit einem Dutzend Jahren kein Berliner Philharmoniker mehr, aber neben seiner Karriere als Dirigent immer noch ein famoser Oboist. An der Spree weilt noch Solo-Hornist Stefan Dohr, in den Reihen der Wiener Kollegen Klarinettist Norbert Täubl und – bei den Symphonikern – Fagottist Richard Galler. Der Neuzugang und Junior Karl-Heinz Schütz ersetzt, und zwar vollgültig, den vor kurzem verstorbenen Wolfgang Schulz an der philharmonischen Orchester-Flöten-Solostelle ebenso wie im Ensemble.

Dem unvergesslichen Wolfgang Schulz hat Toshio Hosokawa das Bläserquintett „Ancient Voices“ gewidmet, welches an diesem Abend uraufgeführt wurde. „Historische Stimmen“ also, wobei das englische Wort „ancient“ auch altertümlich für Flagge stehen kann. Hosokawa übernimmt gleichsam die alte Holzbläser-Standarte, geht mit der tradierten Form liebevoll und eigenwillig um, lässt die Töne wie meist in seinem Werken aus der Stille wachsen und ins Schweigen gehen, formt Lyrisches und Theatralisches zu effektvollen Dialogen – und das Ganze ist so schnell vorbei, dass man es am liebsten gleich noch einmal hören würde. Jubel für Ausführende und Komponist. Jubel auch am Ende für die ausgewogene, farbenprächtige Interpretation eines Solitärs der Literatur, des Bläserquintetts op. 43 des hierzulande weit unterschätzen dänischen „Klassikers der Moderne“, Carl Nielsen. Mitteilsame, inspirierte, kunstvolle Musik voll feinem Gefühl, Phantasie und Charme. Darauf gab es noch einmal als Zugabe Ligetis Allegro con spirito mit der deftigen Fagott-Pointe.