Unpässlich, aber für Chopin in Form

FESTSPIELE / SOLISTENKONZERT POLLINI

18/08/13 Wenn die Festspiele ein Solistenkonzert mit Maurizio Pollini ankündigen, ist das Große Festspielhaus bis auf den letzten Platz gefüllt. Die Erwartungen des Publikums sind dementsprechend hoch, wurden aber am Samstagabend (17.8.) wohl nur teilweise erfüllt.

Von Andreas Wegelin

Schon als Pollini für Robert Schumanns Kreisleriana gebeugt auf das Podium schritt, hatte man das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Das bestätigte der Höreindruck: Der 1838 von Schumann in nur vier Tagen komponierten Zyklus, inspiriert durch die Lektüre von E.T.A Hoffmann und dessen Romanfigur Kapellmeister Johannes Kreisler, war jedenfalls getrübt durch einen unsauberen und fahrigen Zugriff des Pianisten. Immer wieder schraubte Pollini zwischen den einzelnen Teilen nervös an seinem Flügelhocker herum, das Publikum antwortete mit ebensolcher Unruhe und einmal sogar mit Zwischenapplaus.

Auch Schumanns dritte Klaviersonate f-Moll op. 14 geriet dem 71jährigen italienischen Meisterpianisten an diesem Abend so gar nicht. Das fünfsätzige, erst 1983 vollständig publizierte Werk wirkte hastig und verfahren. Auch vom Variationensatz auf ein Thema von Schumanns Geliebter war wenig zu hören. Er wurde gar nicht gespielt.

Konzertchef Florian Wiegand erklärte dem Publikum am Ende der schon in die Länge gedehnten Pause, dass Maurizio Pollini sich unwohl fühle und sich noch weiter ausruhen müsse. Er wolle sich in den nächsten zehn Minuten entscheiden, das Konzert fortzusetzen oder abzubrechen. Die ersten Konzertbesucher verliessen fluchtartig den Saal. Schade, denn ihnen entging dann die meisterliche Interpretation dreier wunderbarer Chopin-Werke.

Just nach zehn Minuten kehrte ein wie ausgewechselter Pollini mit behendem Schritt auf die Bühne und leistete in den nachfolgenden 40 Minuten Grossartiges. Die berühmte Sonate von Chopin mit dem Trauermarsch wurde zum Zentrum und Höhepunkt dieses Abends. Schon der Beginn erklang hell aufleuchtend. Erstaunlich was für Farben- und Stimmungswechsel im bekannten Trauermarsch dem Pianisten nun plötzlich wieder zur Verfügung standen. Der äusserst kurze Finalsatz, vorüberhuschend wie „das Sausen des Nachtwindes über den Gräbern“ (Anton Rubinstein), geriet sehr überzeugend.

Hat Pollini sich dann in der kurzen Berceuse Des-Dur op. 57 mit innigem Spiel ganz auf den lyrischen Charakter des Werks eingelassen, so nahm er in der abschließenden Grande Polonaise brillante As-Dur op. 53 nochmals alle Kraft zusammen und zeigte heroisch sein stupendes Können. Zu Recht erhob sich das Publikum von seinen Plätzen und dankte dem italienischen Meisterpianisten. Keine Zugaben, die angekündigte Autogrammstunde musste ausfallen.

Bild: SFS / Wolfgang Lienbacher