Dirigent im Schatten der Solistin

YOUNG CONDUCTORS AWARD / BEN GERNON

18/08/13 Gleich drei Matineen parallel am Samstag (17.8.): Die Festspiele tun ihren Künstlern damit nichts Gutes. Einen großen Nachteil hatte etwa die grandiose Geigerin Arabella Steinbacher, der beim Preisträgerkonzert zum Young Conductors Award eine ausverkaufte Felsenreitschule vorenthalten wurde.

Von Horst Reischenböck

Gegen eine Mozartmatinee mit Ivor Bolton und ein Verdi-Requiem mit den „Wienen“ unter Riccardo Muti nebenan im Großen Festspielhaus ist natürlich nicht leicht anzustinken. Obwohl der diesjährige Gewinner des Nestlé und Salzburg Festival Conductors Award – angeblich mittlerweile in seiner Bedeutung international bereits an zweiter Stelle gereihte Wettbewerb – doch verstärkt für Aufmerksamkeit hätte sorgen sollen.

Gut, der 22 Jahre alte Brite Ben Gernon durfte heuer ja bereits Wolfgang Amadé Mozarts „Die Entführung aus dem Serail“ für Kinder betreuen (mit mäßigem Erfolg, übrigens). Am Pult des Gustav Mahler Jugendorchesters ging es jedoch um ganz andere Kaliber, etwa um das erste „sinfonische“ Violinkonzert der Musikgeschichte, um Ludwig van Beethovens Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61. Hier stahl freilich die Solistin Arabella Steinbacher allen die Show: Dem Dirigenten Ben Gernon blieb nichts Anderes übrig, als aufmerksam zu assistieren.

Zart schlich sich die Stradivari unter Steinbachers Fingern ins Geschehen, verströmte sich im Kopfsatz bis in höchste Höhen hinein und wandelte auch nach der Fritz-Kreisler-Kadenz bewusst retardierend traumverloren in ferne, fast esoterische Gefilde. Ähnlich verinnerlicht kantabel dann das Larghetto, und selbst im Finale enthielt sich die Geigerin allzu vordergründig virtuoser Attitüde.

456Dass aber auch darüber gebietet, zeigte sie eindrucksvoll in der Zugabe, dem ersten Satz von Sergej Prokofjews Solosonate D-Dur op. 115. Ein insofern einzigartiges Werk, weil es erstens auch für das unisono Spiel mehrerer Violinen gedacht ist und zweitens entstand, kurz bevor der Komponist in der UdSSR auf die schwarze Liste gesetzt und mit Aufführungsverbot belegt wurde. (Die Uraufführung spielte übrigens sechs Jahre nach Prokofjews Tod Ruggiero Ricci, der auch an der Universität Mozarteum lehrte!)

Beim Konzert in der Felsenreitschule was es die vorausschauende Überleitung zu Prokofjews Sinfonie Nr. 5 B-Dur op. 100.  Auch sie als dem Dunstkreis der damals Stalinistischen Kulturansicht angedient und zu verstehen: So sah beispielsweise noch 1981 die Biografin Natalja Pawlowna Swakina im Schluss Andantes den Ausdruck von „triumphierende Tapferkeit“. Sie meinte aicj, der Mittelteil des Adagios lasse „bittere Gedanken und Klagen über den Schmerz des Volkes aufkommen“ und das Finale sei „das Bild eines jubelnden Festes, einer großen Freude, die das ganze Volk erfasst hat“. Aus heutigem Blickwinkel: Mitnichten.

Das verstand nun auch Ben Gernon beeindruckend zu vermitteln, der, nun allein vor dem grandiosen Großaufgebot an Instrumenten stehend, das Interesse auf sich fokussierte. Besonders etwa im bizarre Scherzo, dessen Groteske Gernon bei der Rekapitulation des Hauptgedankens bewusst eckig ausspielen ließ. Oder im dominierenden Trauermarsch, den der junge Dirigent ohne Taktstock allein durch die Hände plastisch formulierte und zu steigern wusste. Bis in die vom Schlagwerk dominierte Episode am Ende, die eigentlich den Erwartungen an einen Höhepunkt widerspricht und geradezu abrupt abreißt.

Großartiges steuerte dazu das Blech mit der Hörnerriege bei, deren Trichter Gernon á la Gustav Mahler auch gegen den Plafond richten ließ. Hervorragend auch die formidablen Holzbläser hinter dem farbigen Streicherteppich.

Bilder: SFS/Hannah Taylor (1); www.arabella-steinbacher.com/Jiri Hronik (1)