Einen Becher Gift darauf - und vergessen

FESTSPIELE / COSÌ FAN TUTTE

22/08/13 Zuerst krabbeln die Damen unter den Palmen im Wintergarten herum. Dann verstecken sie sich gerne unter dem Tisch. Die Neuinszenierung von Mozarts „Così fan tutte“ durch Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf ist ebenso wenig überzeugend, wie die musikalische Leitung und Leistung von Christoph Eschenbach.

Von Heidemarie Klabacher

Die Damen Fiordiligi und Dorabella in bodenlangen Kleidern, wie man es sich in einer „Così“ erwartet, auch die Herren sind in Uniform oder Gehrock elegant kostümiert. Die Bühne überzeitlich (Wintergarten drinnen und Vorgarten draußen), die Kostüme edel: In Rolf und Marianne Glittenbergs untadeligem Rahmen dominiert im ersten Teil von Sven-Eric Bechtolfs Salzburger Neuinszenierung von Mozarts „Così fan tutte“ eine zunächst elegant wirkende Symmetrie: Ein Paar links, das andere Paar in der gleichen Pose rechts, Despina und Don Alfonso sind ebenfalls entlang der imaginären Spiegelachse positioniert. Fehlen nur die schwarz-weißen Bodenfließen: Aber auch so bewegen sich die Figuren wie auf dem Schachbrett. Und zwar in einer Partie, deren Spieler bestrebt sind, die Züge des Gegners jeweils genau nachzuziehen.

Diese seltsame Strategie für Schach und Oper hat anfangs durchaus ihren Reiz, etwa wenn die Männer auf sich kreuzenden Bahnen der jeweils falschen „richtigen“ Dame zugeschubst werden. Die beiden jungen Paare werden von Don Alfonso und Despina ja tatsächlich wie Spielfiguren herum geschoben, emotional missbraucht zur Demonstration eigener Weis- oder Gemeinheit. Dennoch läuft sich diese Liebe zur Geometrie sehr bald tot. Herauskommt statt eines Konzepts zur Personenführung nur eine Art Tanzschrift mit präziser Schrittfolge.

Im zweiten Akt sind die üppig wuchernden Palmen (hoffentlich wurde auch das viele Grünzeug aus dem „Falstaff“ nochmals verwendet) auf die Terrasse hinaus geräumt worden und die symmetrischen Spielereien weichen halbherzigem Klamauk.

Die Damen fallen ständig in Ohnmacht oder verstecken sich unter dem Tisch - unter dem auch Don Alfonso oder die beiden jungen Herren Liebhaber gelegentlich Zuflucht finden. Dann gucken sie ins Publikum, das Tischtuch wie eine Nachthaube um die Ohren gezogen.

Die „Così“ und die ewig gleichen Liebestroubles der menschlichen Gattung einmal ins Lächerliche ziehen? Warum nicht. Aber wenn, dann wirklich. Radikal. Hier ist nur Halbherziges herausgekommen. Das reichte nicht einmal zum Skandälchen und war dem Publikum nur ein paar müde Buhrufe wert - von denen einige übrigens auch der Dirigent abgekriegt hat.

Im zweiten Akt wechseln sich also unmotivierter Slapstick und unmotivierte Tragödie ziemlich beliebig ab. Da bechern und saufen und rülpsen (was, da im Gesamtkonzept nicht hinreichend begründet, peinlich berührt) die Damen vor sich hin. Da tritt Fiordiligi als eine Ahne von Johanna der Wahnsinnigen auf und scheint echte Verzweiflung ausdrücken zu wollen, was man ihr in diesem Umfeld aber erst recht wieder nicht abnehmen will. Weder Klamauk, noch Tragödie. „Dramma giocoso“? Weit gefehlt. Hier herrscht nachlässiger Umgang mit dem sensiblen Instrument „Cosi“, mit dem sich alle Tiefen und Untiefen menschlichen Empfindens ausloten ließen. „Halbherzig“ im Wortsinn wirkt diese Neuinszenierung durch Schauspielchef Sven-Eric Bechtolf, die doch der Auftakt zu einem vollmundig angekündigten neuen Mozart/Da Ponte-Zyklus sein will.

Leider bietet auch die musikalische Seite keine Perspektive. Christoph Eschenbach ist als Dirigent eingesprungen, nachdem Franz Welser-Möst sich wegen Termin-Unstimmigkeiten aus dem Gesamtprojekt zurückgezogen hatte. Bei der Premiere am Mittwoch (21.8.) im Haus für Mozart begleitete Eschenbach am Pult der Wiener Philharmoniker das Ensemble wenig geschmeidig - um nicht zu sagen ruppig und unbalanciert – in Lautstärke und Agogik. Der Kontakt mit den Sängerinnen und Sängern schien über weite Strecken zu fehlen. Die feinen musikalischen Strukturen in Mozarts Partitur blieben unbeleuchtet, die wundersamen Melodien, mit denen etwa die Solo-Bläser reich beschenkt sind, waren wohl „da“, zogen am Herzen vorbei - und schienen vor allem mit den Solisten in keinen schlüssigen Dialog zu treten. Passagenweise schien man einander überhaupt aus den Augen und Ohren verloren zu haben.

Malin Hartelius singt die Rolle der Fiordiligi technisch untadelig, bleibt aber Glanz und Strahlkraft in Stimme und Ausstrahlung schuldig. Marie-Claude Chappuis gestaltet souverän die Partie der Dorabella und macht wacker jede szenische Unausgegorenheit mit. Martin Mitterrutzner, der Ferrando dieser Produktion, verfügt über eine reich timbrierte gut fokussierte Mittellage, kämpft aber schwer in den hohen Lagen. Luca Pisaroni als Guglielmo überzeugt sängerisch und darstellerisch. Martina Janková spinnt als Despina virtuos ihre Intrigen: Sie scheint überhaupt – gemeinsam mit dem brillanten Gerald Finley als Don Alfonso – die musikalisch und szenisch so disparate Aufführung zusammenzuhalten.

Guglielmo schenkt sich während der gefakten Unterzeichnung des Ehekontraktes ein Gläschen Gift ein, welches Don Alfonso im Schlussbild hinunter- und daraufhin tot um-kippt. R.I.P.

Weitere Vorstellungen am 23., 25., 28. und 31. August zu unterschiedlichsten Beginnzeiten im  Haus für Mozart.
Bilder: SFS / Michael Pöhn