Der Sonnenkönig strahlt – und hallt

 

FESTSPIELE / LES ARTS FLORISSANTS / WILLIAM CHRISTIE

27/07/14 Großer Pathos und der Prunk von Versailles ziehen in den Klangwolken durch die Kollegienkirche. Les Arts Florissants unter William Christie lassen vier „Grands Motets de Versailles“, glorreiche Zeugnisse des französischen Klassizismus, in höchst engagierten Tönen erstrahlen. Aber die akustischen Verhältnisse machen den Abend auch zu einem musikalischen Ratespiel.

Von Stefan Reitbauer

Für ein Konzert von Les Arts Florissants bietet sich die Kollegienkirche freilich an. Die „blühenden Künste“, die Mondänität der Erinnerungen an die Zeit Ludwigs XIV, Motetten, die ihren geistlichen Zugang auf musikalischer Ebene ausschließlich ihren Texten verdanken – der Ort passt durchaus. Und renoviert und frisch ausgemalt wurde ja auch noch, warum sich also nicht auf ein großartiges Konzert am Freitagabend (25.7.)im Gotteshaus am Universitätsplatz freuen?

Nun, es lag in der Luft. Genauer gesagt eigentlich an der Luft und ihren Verwirbelungen und Irrwegen, bis der Schall zum Ohr des optimistischen Kartenkäufers durchdringt. Trotz aufwendig angebrachter Vorrichtungen, die die akustischen Gegebenheiten physikalisch austricksen sollten (und vielleicht durchaus ihre Wirkung haben). Aber die Kombination von Klangwolke und optischem Genuss entschädigt den Besucher.

Vier Motetten stehen auf dem Programm. Je zwei von Jean-Philippe Rameau und von Jean-Joseph Cassanéa de Mondonville. Musikalische Zeitzeugen einer glanzvollen Ära französischer Kunst, die sich im 18. Jahrhundert endlich von den chronisch übermächtigen italienischen Einflüssen emanzipieren konnte, werden geboten. Bestand die geistliche Motette der Renaissance im Wesentlichen aus einem relativ kurzen, mehrstimmigen Chorstück, so setzte die Grand Motet neben Chor und Solisten die gesamte „Musique du Roy“ ein: Orgel, Basso continuo, Violinen, Flöten, Oboen und manchmal sogar die Militärkapelle. Trotz des geistlichen Kontexts hört man in den Grands Motets sehr weltlich anmutende Kunstwerke.

William Christie, souverän und der Fels in der akustischen Brandung der Kollegienkirche, zelebriert mit seinen Instrumentalisten und Sängern diesen weltanschaulichen Spagat zwischen Geistlichkeit und royalem Prunk. Es ist eine Freude, den jungen, engagierten Solistinnen und Solisten bei ihrer Arbeit zuzusehen. Rachel Redmond und Katherine Watson (Sopran) überzeugen nicht nur mit großartiger Stimme, fundierter Technik in den virtuosen Passagen der opernhaft anmutenden Arien, sondern vor allem mit der Begeisterung, die in ihre Gesichter geschrieben steht. Besonders Redmond strahlt wie die aufgehende Morgensonne. Reinoud van Mechelen, ein leuchtend heller Tenor, in den luftigen Höhen sicher wandelnd und stilistisch überzeugend, führt die solide männliche Solistenschar mit Cyril Auvity, Marc Mauillon und Cyril Costanzo an. Wunderbare Stimmen stehen den versierten Musikern hier zur Seite. William Christie darf sich über so viel Qualität in seinen Reihen freuen.

Ob sich das Publikum nun tatsächlich auch freuen darf, liegt an seiner Phantasie und Vorstellungsgabe. Überbelichtete Fotos lassen möglicherweise auch die Schönheit der Motive und die grundsätzlich vorhandene Qualität des Fotografen erahnen, aber es schmälert den künstlerischen Gehalt enorm. Das Wagnis, polyphone Musik unter solchen akustischen Verhältnissen aufzuführen, nimmt den großartigen Motetten Rameaus und Mondonvilles ihre Grazilität, ihre Kunstfertigkeit und Virtuosität.

Bild: Salzburger Festspiele / Denis Rouvre