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Auf Teufel komm raus?

FESTSPIELE / DON GIOVANNI

28/07/14 Gruseln? Gänsehaut? Grinsen? Wie reagieren, wenn ein armes welsches Teufli hinter der Hotelbar plötzlich auf- und wieder abtaucht? Will die „Festspiel-Pass“ aus zierlich gehörnten Krampussen Angst und Schrecken verbreiten? Bei wem denn nur? Der furchtlose Don Giovanni jedenfalls springt Tod und Teufel von der Schaufel. Wenn nur die ganze Neuinszenierung so dynamisch wäre.

Von Heidemarie Klabacher

Der Steinerne Gast greift dem Don Giovanni von hinten ans Herz genau wie der Tod dem Jedermann. Donna Elvira betont ausdrücklich, ins Kloster einzutreten und ihr Leben dort beschließen zu wollen. Wenn sie aber gewandet in weiße Ordenstracht den Lebemann händeringend zur Umkehr mahnt, fragt man sich in Salzburg schon, ob sich hier nicht Glaube oder Gute Werke auf dem Weg vom Domplatz ins Haus für Mozart verirrt haben.

Sven-Eric Bechtolf, Schauspielchef und designierter Intendant der Salzburger Festspiele, hat Regie geführt in der Neuproduktion von Mozarts Drama giocoso „Don Giovanni“ KV 527. Schauplatz der letzten Stunden im Leben des unverbesserlichen Wüstlings ist ein Hotel - ob von verblasster oder nie vorhanden gewesener Eleganz, lässt sich nicht recht sagen: Die gesamte Szene bleibt eher düster, so als hätte kalter Zigarettenrauch über Jahrzehnte die Luft patiniert.

Aus wirtschaftlichen Gründen scheint man Energiesparlampen zu verwenden. Diese dustere Atmosphäre drückt die Stimmung vom ersten Vorhang an. Der „Lichtteppich“ von Friedrich Rom im Zentrum des Raumes blendet dagegen und irritiert erst recht wieder das Auge.

Die von Ausstatter Rolf Glittenberg jedenfalls großzügig und elegant angelegte Doppeltreppe von der Lobby hinauf in den Zimmer-Gang ist ein praktikables Setting für einen Don Giovanni: Die diversen Liebespaare haben es nie weit, wenn sie sich mal kurz zurückziehen wollen. Statt frischer Bauern- gibt es zu diesem Zweck adrette Stubenmädchen.

Der Mord am Komtur – Don Giovanni lässt den Commendatore übrigens ins offene Messer laufen, das zufällig dessen Tochter Donna Anna in der Hand hält – führt zu polizeilichen Maßnahmen. Die eine oder andere Razzia findet statt, ebenso eine effektvolle- wenn auch inhaltlich nicht ganz nachvollziehbare Matratzen-Wurfaktion.

Die Hotelbar ist beweglich. Hinter der Bar taucht gelegentlich der Teufel auf. Leitmotiv? Der Kleingehörnte schenkt etwa auf dem Fest Don Giovannis mit großen bedeutungsvollen Gesten einen Drink für die „maskierten Herrschaften“ Donna Anna, Donna Elvira und Don Ottavio aus. War aber wohl doch kein Liebes- oder sonstiger Gifttrank, denn es passiert nichts, was man damit hätte in Zusammenhang bringen können.

Ist die Bar hinausgerollt worden, erinnert die Szene noch viel stärker an die Lobby eines Hotels, das demnächst für immer geschlossen werden wird – oder aus dem abzureisen zumindest alle Gäste gleichzeitig im Begriff sind. Stephen Kings „Shining“ fällt einem ein.

Aber Ildebrando d`Arcangelo als Don Giovanni ist kein wahnsinnig gewordener Jack Nicholson, sondern schlicht und einfach ein amoralischer Draufgänger von naiver, beinahe schon sympathischer Rücksichtslosigkeit: Während er die frisch vermählte Zerlina noch im Brautkleid schon so gut wie erfolgreich beschwatzt hat – Stichwort „Là chi darem la mano“ – rennt er aus der Szene hinaus und hinter dem nächsten Stubenmädchen her. Ein verzogenes Kind ist dieser Don Giovanni. Hinter allem her, worauf sein Auge fällt, unfähig sich zu konzentrieren, bei einer Sache – Frau – zu bleiben und sei es nur für einen einzigen Liebesakt.

Es gelingt im ja keine einzige Verführung mehr in diesen seinen letzten Stunden. Ist ihm aber auch egal. Denn nachdem der Komtur ihn von einer ganzen Schar Teufel hat holen lassen, springt Don Giovanni auch schon wieder munter auf wie ein Stehaufmännchen, und jagt erneut besagtem Stubenmädchen nach.

Von Marianne Glittenberg sind die Kostüme: Schürzen und Kittel oder Livreen der Hotelbediensten, der Schlangenledermantel Don Giovannis, die Uniformen Don Ottavios, des Komturs und der vielen Polizisten, oder die sinnliche Unterwäsche und die elegante Trauerkleidung Donna Annas.

Aus dem Orchestergraben tönt es durchwegs laut und kräftig, meist beliebig und belanglos, manchmal auch ein wenig irritierend - wenn etwa im ersten Akt die Koordination mit den Sängern abhanden zu kommen droht oder der Lautstärkenregler unorganisch und unmotiviert nach oben hin durchgeht. Gestaltungswillen lässt Christoph Eschenbach, der voriges Jahr mit „Cosi fan tutte“ schon nicht überzeugen konnte, auch im „Don Giovanni“ nicht spüren.

Sängerisch ist diese Produktion vom immer wieder beschworenen „Mozart-Ensemble“ weiter entfernt denn je. Solide sind sie wohl, die sängerischen Leistungen. Aber ist das eine Kategorie für eine Festspieloper?

Ildebrando d`Arcangelo gibt seinen naturburschenhaften Don Giovanni auch stimmlich herzhaft und kräftig, voluminös grundiert im Klang, wendig in der Artikulation. Lenneke Ruiten als Donna Anna wird stimmlich vielleicht noch Profil gewinnen: Wenn auch erst im hinhaltenden „Schlussgespräch“ mit Don Ottavio - „Gewähre mir, lieber Freund, ein Jahr noch, um mein Herz zu erleichtern“ - erstrahlen für Augenblicke wahrhaft bewegende Mozart-Töne. Andrew Staple verleiht dem Don Ottavio weiche schmelzende Stimme, locker angesungene Höhen und klare Linien. Eine schöne Stimme, die in ihrem ausgeprägten Timbre und Charakter aber so gar nicht zu den anderen passen will.

Anett Fritsch als Donna Elvira ist stimmlich kontinuierlich präsent, darstellerisch kontinuierlich exaltiert. Valentina Nafornita ist eine liebenswürdig natürliche, stimmlich eher leichtgewichtige Zerlina, Alessio Arduini ist ihr untadeliger Massetto. Tomasz Konieczny singt den Komtur mit effektvoller Zurückhaltung.

Luca Pisaroni als Leporello versucht nicht nur immer wieder, seinen wilden Herrn zur Ordnung zu rufen: Seine locker eingesetzte Spielfreude und seine souveräne sängerische Leistung halten nicht nur die Kolleginnen und Kollegen auf der Bühne, sondern auch das Publikum bei der Stange.

Aufführungen bis 18. August - www.salzburgerfestspiele.at
Fernsehübertragungen:
Sonntag, 3.
August 2014 um 19:30 Uhr live auf ServusTV
Sonntag, 3. August 2014 um 20:15 Uhr zeitversetzt auf CLASSICA
Sonntag, 3. August 2014 um 18:00 Uhr live - HINTER DEN KULISSEN auf ServusTV
Freitag, 31. August 2014 um 11.05 Uhr auf ServusTV
Begleitend zur Opernproduktion wird von ServusTV die Dokumentation „Don Giovanni - Die Entstehung einer Festspiel-Oper“ in 5 Teilen ausgestrahlt, ab heute Montag (28.7.) bis Freitag (1.8.), jeweils um 18:20 Uhr.
Bilder: SFS /Michael Pöhn

 

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