Remember this evening!

FESTSPIELE / LIEDERABEND THOMAS HAMPSON / WOLFRAM RIEGER

01/08/14 Ein unüberschaubares, mannigfaltiges Repertoire an stummen Gesten der Dankbarkeit und Demut hat Thomas Hampson in seinem Repertoire - und diese dürfen nach einem außerordentlichen Liederabend ausschweifend zum Einsatz kommen. Richard Strauss' Früh- und Spätwerk wurde von zwei großen Musikern eindringlich und erinnernswert zum Klingen gebracht.

Von Stefan Reitbauer

Schon haarscharf an der Grenze des Erlaubten hat sich Richard Strauss bei seiner Vertonung des „Himmelsboten“ bewegt. Und Thomas Hampson lässt in seiner Interpretation nicht den kleinsten Zweifel, ob „sie´s leid’t“, sich „die runden Brüstlein küssen“ zu lassen. Sein Augenspiel, die unmissverständliche Formung des Mundes und der schalkhafte, verheißungsvolle Blick sprechen Bände.

Hampson hat sichtbar Freude daran, solche Grenzen zu überspringen. Aber es passiert jedes Mal mit unschuldiger Leichtigkeit und bescheidener Selbstverständlichkeit. Hier steht kein Exhibitionist auf der Bühne, einer, der zweifelhafte Lust daran empfindet, seine Zuhörer mit Offenbarung von Intimität zu belästigen. Thomas Hampson bleibt immer in seinen Rollen, lässt uns Unbekannte für die wenigen Minuten einer Liedlänge einander kennen lernen - und lässt dabei für jedes neue Stück eine weitere charismatische Figur entstehen.

Richard Strauss schrieb den Großteil seiner über zweihundert Lieder für die gemeinsamen Liederabende mit seiner Ehefrau, der Sopranistin Pauline Strauss-de Ahna. So scheint es nicht verwunderlich, dass in vielen Werken eine Art musikalischer Spiegelung des eigenen Lebens zu erkennen und zu erahnen ist. Das Ehepaar Strauss lebte Szenen seiner Ehe also öffentlich, in gemeinsamen musikalischen Rollenspielen. „Morgen!“ etwa, war ein Geschenk an seine zukünftige Ehefrau zur anstehenden Hochzeit.

Und dieses Lied, wo der bedeutungsschwere, optimistische Imperativ gleich in den Titel gepackt wurde, ist einer der vielen Höhepunkte des Konzertabends. Hampson artikuliert sauber, sein amerikanischer Akzent macht die Lautmalerei mancher Wortkompositionen beinahe noch interessanter und lässt im Farbenspektrum der Vokalklänge ganz unbekannte Nuancen aufblitzen. In unendlicher Sanftheit ergeht sich Hampson in diesem träumerischen Liebeslied. Die Grenze zur sehr nahen Kitschgefahr überschreitet er hier aber keinesfalls.

Das „Notturno“ nach einem Text von Richard Dehmel betitelt Strauss in der Originalfassung mit „Größerer Gesang für Orchester“. Der Solo-Violine ist hier die Figur des Todes zugeordnet und diese bleibt somit auch in Besetzung mit Klavier obligat. Yamei Yu verkörpert diese unheilvolle Rolle mit ihrem Instrument mit Einfühlungsvermögen und Verständnis für den komplexen Bau des Stücks. Unaufdringlich und nur selten unheimlich hervortretend gibt sie gemeinsam mit ihrem Partner am Klavier dem etwas textlastigen Stück Charakter und Form.

Nach drei Rückert-Vertonungen, alle in der Form des arabisch-persischen Ghasels, eine spezielle Reimform mit immer wiederkehrenden Versen, wird nicht nur Thomas Hampson mit ausuferndem Applaus bedacht, sondern auch endlich sein großartiger Begleiter am Flügel, Wolfram Rieger. Hier wird Souveränität und langjährige Beschäftigung mit Strauss´scher Klaviermusik eindrucksvoll hörbar. Mit absoluter Sicherheit, technischer Präzision und viel Übersicht wird begleitet, das Publikum erfährt freundliche Nötigungen, doch jeden Akkord mit ihm auszukosten und auszuhören. Zurecht wird Wolfram Rieger von Hampson unter Jubel nach vorne geschickt, er selber verschwindet kurz hinter dem Klavier. Nach drei weiteren Strauss-Liedern als Zugabe, Hampson entdeckt hier für die Zuhörer noch einige ungehörte Facetten seiner weiten Palette an Falsettklängen, schließt er mit den Worten: „If a fool ever says, classical music is dead – remember this evening!“

Bilder: SFS/Silvia Lelli