Mozart, echt wahr?

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29/08/14 Mozarts c-Moll-Klavierkonzert KV 491 mit Lang Lang als Solisten, Daniele Gatti am Pult der Wiener Philharmoniker: Besetzung und Werkwahl sind so absurd, dass die Sache fast schon wieder Charme hat. Was dabei herausgekommen ist am Donnerstag im Großen Festspielhaus?

Von Reinhard Kriechbaum

Daniele Gatti ist Profi genug, dass er aufs Dirigieren weitgehend verzichtet, wenn klar ist, dass vom Solisten irgendetwas kommt – nur absolut nichts, was stilistisch an Mozart denken lassen könnte. Also Auftakt geben, und durch! Die Philharmoniker packen’s schon irgendwie und die Bläser sind Manns genug, um es auch mit Tempo-Widrigkeiten sonder Zahl erfolgreich und tonschön aufzunehmen. Lang Lang hat immer mindestens eine Hand frei, um imaginäre Melodielinien in die Luft zu zeichnen. Das sieht immens musikalisch aus. Dass er dann ganz und gar nichts von seinen Partnern aufnimmt oder fortspinnt, steht auf einem anderen Blatt. Lang Lang hat für jeden Einsatz ein eigenes Tempo, eine eigene Phrasierung, in artig duftigem Piano meist. Jede Klavierphrase hat ein hübsches Bäuchlein und einen sanften Drücker am Ende.

Für die Kadenz im ersten Satz hat er eine Vorlage von Lili Kraus weiterentwickelt. Je mehr es nach Chopin klingt, um so wohler fühlt er sich. Prüfender Blick nach den drei Sätzen ins Programmheft: Ja wirklich, die Noten vom c-Moll-Konzert wären auf den Pulten gelegen. Manches hat man eh wiedererkannt.

Ernsthafteres nach der Pause: Nun also haben die Wiener Philharmoniker das Salzburger Bruckner-Projekt gestemmt, fünf Symphonien waren ihnen anvertraut, in den sechs Konzerten dieses Sommers. Die Leistung neben dem ansehnlichen sommerlichen Opernpensum ist nicht gering zu schätzen, zumal sich das Orchester mit größtem Engagement auf die jeweiligen Sichtweisen des Dirigenten eingestellt (oder, wie im Falle Riccardo Muti, die Angelegenheit kompetent an sich genommen und zu einem leidlich guten Ende gebracht) hat. Diesmal die „Dritte“, im Spiegel eines als Bruckner-Gestalter durchaus selbstbewussten italienischen Opernkapellmeisters, der Daniele Gatti ja in erster Linie ist. Die vibrierende linke Hand ans Herz – eine solche Geste in Richtung Erste Geigen fällt bei Bruckner wahrscheinlich nur einem Italiener ein. Aber die Streicher haben ihm das gedankt, und was gleich nach dieser Episode, herausgegriffen aus dem langsamen Satz, die Bratschen haben sich hören lassen, klang lupenrein nach Verdi. Macht gar nichts, so lange solches Musizieren in dich schlüssig und von durchgehendem Atem getragen ist.

Delikat, wie Daniele Gatti die Streichinstrumente aus den Blechbläser-Wolken heraus „ländlern“ ließ. Raffiniert changierend der Tonfall im Trio-Abschnitt des Scherzos: elegant pendelnd zwischen Stilisierung und freundlichem Folklorismus. „Mehr langsam“ hat Bruckner über den Eröffnungssatz geschrieben. Gatti nimmt das ernst und baut seinen Bruckner mit quasi oper-dramaturgischem Verständnis. Da kommt ihm Suspense in Form von Generalpausen gerade recht. Ein auf seine Art charismatischer Abschluss des Symphonienzyklus der Festspiele. Im Gegensatz zu Mozart war Bruckner gut wieder zu erkennen.

Bilder: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli / Lelli