Mit Händen und Füßen

FESTSPIELE / HINDUISMUS 1 / KUTIYATTAM

21/07/15 Vier Instrumente und fünf Akteure, das alleine reicht aus, um das Publikum der Kollegienkirche zweieinhalb Stunden hinein zu ziehen in die vieldeutige Welt des Sanskrittheaters. Eine Welt, in der nichts ohne Bedeutung scheint.

Von Larissa Schütz

Um das Thema historische Aufführungspraxis braucht man sich bei Kutiyattam keine Gedanken zu machen, denn dieses Sanskrittheater wird seit jeher in ungebrochener Tradition überliefert – das einzige Sanskrittheater, das heute noch aufgeführt wird. Zum ersten Mal ist es im 11. Jahrhundert schriftlich belegt, war dem Programmheft zu entnehmen ist. Überhaupt war für diesen Abend der Blick ins Programmheft unverzichtbar und lohnenswert. Denn das indische Traditionstheater funktioniert völlig anders als Aufführungen nach unserem Theaterverständnis. Das beginnt schon bei der Sprache. Natürlich, es gibt auch hier Übertitel, doch diese übersetzen nicht nur die fremden Worte, sondern auch die Gesten und Blicke der Schauspieler. Diese gehören nämlich ebenfalls zur Sprache. In einer kurzen Einführung vor dem Stück wurde die wichtigsten Ausdrücke gezeigt. Alleine die Position der Augen könne einem Wort verschiedenste Bedeutung geben, erklärte Elena Mucciarelli.

Begleitet wird das Schauspiel ausschließlich von Rhythmusinstrumenten, die ebenfalls unterschiedliche Bedeutungen haben. Der Takt wird durchgehend von der Zimbel gehalten, wahrscheinlich das einzige, was den westlichen Hörgewohnheiten gleicht. Die wichtigsten Instrumente sind zwei Milavu, die in der Mitte der Bühne stehen. Dabei handelt es sich um bauchige Kupfertrommeln, die mit der Hand geschlagen werden. Das vierte Instrument ist die Ithaka, eine Trommel die mit einem Stab geschlagen wird. Es ist ungewöhnlich, nur die Trommelgeräusche als Begleitung zu haben, doch hat man sich erst einmal daran gewöhnt, kann man immer deutlicher unterschiedliche Tonhöhen und sich daraus ergebende Melodien wahrnehmen. Die Instrumente spiegeln die Gemütslagen der Figuren und deren Bewegungen. Eine große Kunst, bedenkt man, dass die Schauspieler mit dem Rücken zu den Trommlern stehen.

Kuttiyattam reduziert die Handlung alleine auf die Schauspieler und Instrumentalisten. Es gibt kein Bühnenbild, dafür sind die Kostüme umso prächtiger. Die Gesichter der Schauspieler sind bunt geschminkt und verziert. Auch dies trägt alles eine bestimmte Bedeutung in sich. Alle Schauspieler entstammen dem Nepathya Kompetenzzentrum, in dem diese traditionsreiche Form des Theaters gelehrt und überliefert wird.

Um Kutiyattam und diese Art des Ausdrucks zu verstehen, muss man sich auf die anfangs etwas befremdlich wirkende Darstellungsform einlassen. Vielleicht ist es gar keine schlechte Idee, einfach nicht alles sogleich deuten oder das Melodiöse der Trommeln hören zu wollen: Dann fälltman nämlich fast automatisch in einen Rausch aus Farben, Rhythmen und Eindrücken. Die Symbiose von Bewegungen, Stimme und Musik bewirkt etwas Meditatives. Zum Schluss ist alles ganz still. Keine wirren und lauten Gespräche beim Verlassen der Kollegenkirche. Die sonst so quirlige Festspielwelt scheint für einen Moment still zu stehen.

Die weiteren Aufführungen im Rahmen des Hinduismus-Schwerpunkts der „Ouverture spirituelle“:
Hinduismus II: Dhrupad. 21. Juli, 20.30 Uhr
Hinduismus III: Khyal. 24. Juli, 22 Uhr
Hinduismus IV: Bharatanatyam. 25. Juli, 20.30 Uhr
Hinduismus V: Morgen-Ragas. 26. Juli, 6 Uhr
Aufführungsort ist immer die Kollegienkirche – www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: Salzburger Festspiele / Franz Neumayr
Zum Interview mit der Hinduismus-Sprezialistin Bettina Sharada Bäumer
Wenn wir bloß die Ragas und Talas heraus hörten!
Zur Reportage
Die Verwandlung zur Gottheit