Vor-letzte Dinge - erschütternd

FESTSPIELE / ANDRÁS SCHIFF / LETZTE SONATEN 2

10/08/15 Da hat man also am ersten Abend András Schiff vom Himmel durch die Welt zur Hölle - und wieder zurück - folgen dürfen, um am zweiten Abend zunächst erneut einzutauchen in eine Atmosphäre des ideal-klassischen „Wahren, Guten und Schönen“. Zunächst, einmal. Denn alsbald ging es wieder in die tiefsten Felsen- und Seelengründe.

Von Heidemarie Klabacher

„Letzte Sonaten“. Das beziffert sich bei Beethoven und Schubert in den legendären Werknummern op. 109 bis op. 111 und D 958 bis D 960. Die Reihenfolge bei Haydn variiert je nach Werkverzeichnis, was recht witzig klingt im Programmheft. Auch die Diskussion, welcher Dame die Sonate Nr. 60 C-Dur Hob. XVI:50 denn nun tatsächlich gewidmet sei, verbindet man nicht leicht mit Joseph Haydn. Aber er soll tatsächlich 1794 einer Komponistin in England „a little Sonat“ gesendet haben.

András Schiff ließ das Werk virtuos aus dem Bechstein-Flügel perlen. Dem Klavier haben wir schon Reverenz erwiesen. Viele spannende Farb- und Stimmungswechsel entwickelte Schiff wiederum aus den unerschöpflichen Möglichkeiten dieses Instrumentes.

„Perfekter Lagenausgleich“ ist das Kritikerwort für höchstes Sängerlob. Es ist auch anzuwenden auf András Schiffs, im Tempo sehr zügige, Interpretation von Mozarts Sonate Nr. 17 B-Dur KV 570. Die Hornquinten-Wendungen im Adagio bleiben in Ohr und Herz.

Das der Klarheit und Ausgeglichenheit entgegen gesetzte Extrem demonstrierte András Schiff mit Beethovens Sonate Nr. 31 As-Dur op. 110 und – noch einmal expressiver – mit Schuberts Sonate Nr. 20 A-Dur D 959. War der Marsch durch Beethovens Kosmos quasi noch ein bewegtes Hin und Her zwischen sonnigen und bewölkten „romantischen“ Gefilden, führte der Weg mit Schubert immer tiefer hinab in die Abgründe schwärzester Romantik. Da wirkten die wundersam lichtvollen Augenblicke etwa im Rondo nur noch erschütternder: Flehende Blicke durch aufreißende Wolken in unerreichbare Himmel.

Auch diesmal wieder: Drei Zugaben – Mozart, Schubert, Beethoven-Bagatelle – die er "gar nicht geben habe wollte", wie András Schiff dem Publikum erklärte. „Ihre Freundlichkeit“, also der tosende nicht enden wollende Applaus, habe ihn umgestimmt. Alle waren dankbar dafür und hätten auch noch länger zugehört. Sollten wir es schon gesagt haben? Überwältigend.

Bild: Salzburger Festspiele / Marco Borrelli